„Weil ich eine Schwäche für verlorene Sachen habe, für wirklich ganz aussichtslose“, sagte Rhett Butler, gab sein lukratives Geschäft als Kriegsgewinnler auf und trat nach dem Fall von Atlanta in die Südstaatenarmee ein. So etwas muss mich wohl auch geritten haben, Wahlkampfflyer vor dieser Wahl in Hamburg noch zu verteilen, während mein Verein dem Untergang mit Ansage am Sonntag fröhlich entgegen sieht.
0°, Schneematsch und Wind sind natürlich hochmotivierend, sich zwei Stunden den Beschimpfungen des Bürgers an einem Bahnhofsausgang auszusetzen. Was aber noch viel schlimmer war, in Wahrheit beschimpfte einen nicht einmal wer, die müssen uns für so tot halten, dass wir schon Mitleid erregten. Die neben uns stehenden Sozis boten spontan an, unsere Tasche mit den Flyern bei ihnen unter zu stellen, das kam mir etwa so vor, als hätten die Russen in den letzten Tagen der Schlacht um Berlin das Catering für den Führerbunker übernommen. Während ich also verteilend darüber sinnierte, wie unglaublich arm dran wir so sind, da kam – sie. Sie war eine wohlhabend wirkende Dame in den besten Jahren, die mich prüfend ansah, einen Flyer nahm und dann loslegte:
Wir hätten es in acht Jahren nicht geschafft, … so begann sie und alle PR Desaster der letzten Jahre samt der großen Fettnapfsammlung, die wir uns so zugelegt hatten, erschienen vor meinem geistigen Auge, hochgespannt, was sie sich davon wohl ausgesucht hätte. Die verbrannten Milliarden der HSH Nordbank, das Finanzdesaster beim Bau der Elbphilharmonie, die Bauchlandung in der Schulpolitik, das reihenweise Verschwinden der Senatoren im Lemmingfieber, die Desertion des Ersten Bürgermeisters, die staatsfinanzierten Hausumbauten aus Sicherheitsgründen seines teddyartigen Nachfolgers oder doch dessen missglückte Homestory in der Bunten, oder, oder, wir haben da ja noch viel mehr auf Lager. Also: Wir hätten es in acht Jahren nicht geschafft,
– eine wirksame Verordnung gegen Gartenfeuer zu erlassen. Während ich sie noch mit einem leicht debilen Gesichtsausdruck anstarrte, entwickelte sie eine Leidenschaft, die mir in den Jahrzehnten des politischen Engagements so völlig fremd geworden war und die gewiss den durchgeknallten Ägyptern auf ihrem Tahir Platz Ehre gemacht hätte. Man konnte förmlich die furchtbaren Rauschschwaden riechen, die durch die Gärten zogen, ich vergaß glatt, gar keinen Garten zu haben, kurzzeitig erinnerte ich mich ebenso schamvoll wie heimlich sentimental, wie einst mein Vater den Benzinkanister über dem feuchten Laub und Holzstapel ausgoss, ein brennendes Tuch hinein warf und diesen einzigartigen dumpfen „Puff“ auslöste, mit dem das Feuer dann zur Freude des Jungen seinen Lauf nahm, bis sie mir entgegen schleuderte, als hätte sie mich in meinen Gedanken ertappt, es wäre ja wohl nicht mehr zeitgemäß, Feuer zu machen, nur damit kleine Kinder sich daran ergötzen könnten, wie die Flammen prasseln. Und ehe ich mich versah, wollte sie gleich die Osterfeuer mit verbieten, geschickter Weise ersparte ich mir den kurzen Einwurf, ob man das in Blankenese wohl auch so sehen würde, es wäre auch völlig sinnlos gewesen. Als sie fertig war, ich mich langsam wieder fasste und mich vermutlich ziemlich erfolglos bemühte, eine Form von ernsthaftem Gesicht aufzusetzen, versprach ich ihr, das Anliegen weiter zu tragen. Sie hatte mir in diesen wenigen Minuten klar gemacht, was die eigentliche Ursache unseres unaufhaltsamen Niederganges war. Niemand hatte das rechtzeitig erkannt und nun war es zu spät.
Aber im Gegensatz zur landläufigen Meinung über Politiker, habe ich mein Versprechen erfüllt. Ich sagte es meinem Kommunalkandidaten und besten Freund, für den ich die Flyer verteilte und er nickte. Dann meinte er noch, da wir bekanntlich ab Sonntag nichts mehr zu sagen haben werden, könne er es doch gleich dem neben ihm stehenden Sozi weitergeben, der wohl bald Senator werden wird und jetzt auf unsere Tasche aufpasste. Ich konnte ihn mit knapper Not noch daran hindern.
Man stelle sich vor, die lösten das Problem. Wir würden für die Ewigkeit keine Wahl in Hamburg mehr gewinnen.
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