Wenn dieser Fall nicht schon so unendlich oft durchgekaut worden wäre, könnte man eine Menge über ihn philosophieren. So aber soll es bei Anmerkungen bleiben. Es ist der kaum aus der Fantasie eines Rechtsprofessors zu konstruierende Fall, in dem die Folge des Rechts den Menschen ein absurd scheinendes Ergebnis zumutet. Ein widerwärtiger Mörder, in seiner egozentrischen Weinerlichkeit sich selber gegenüber im krassen Kontrast zu seiner empathiefreien Kaltherzigkeit gegenüber den Mitmenschen stehend, bekommt ein Schmerzensgeld, weil ein Polizist einem Kind das Leben retten wollte. Unbestreitbar, das Ergebnis ist furchtbar. Der Aufschrei ist laut, auch gerade unter denen, denen ich mich politisch nahe fühle.
Was aber macht unsere Gesellschaftsordnung aus? Was sie so besonders, dass ich bei allem, was man so kritisch am Aktuellen empfindet, sie mit allem verteidigen würde, was ich habe und kann. Was hat mich bewogen, seinerzeit im kalten Krieg als Soldat der Bundeswehr mein Leben hinzugeben bereit zu sein, falls die Bolschewisten angegriffen hätten? Es ist der demokratische Rechtsstaat! Er ist das Fundament unseres Lebens in Freiheit, er ist der Hauptangriffspunkt aller Feinde dieser Freiheit, ob Nazis, Bolschewisten oder religiöse Fanatiker. Die einen setzen Führerwillen und gesundes Volksempfinden an seine Stelle, die anderen Klasseninteressen, die dritten ihre religiösen Absoluheitsansprüche. Allen gemeinsam ist es, im Kampf gegen die Gesellschaft der Freiheit als erstes den Rechtsstaat zu verspotten. Die Nazis in der Weimarer Republik taten es ebenso ätzend, wie die Linke in den 70ern zur RAF-Zeit. Sie wussten warum.
Genau darum aber müssen die Verteidiger der Freiheit bereit sein, unter allen Umständen das Primat des Rechtes in einer freiheitlichen Demokratie zu achten. Folter ist der Todfeind des Rechts. Sogar ihre Androhung. Ich würde das, was geschah, als Notstand werten, im Versuch ein Leben zu retten. Das entschuldigt meiner Ansicht nach die Tat, auch wenn es sie nicht rechtfertigt. Doch ich kenne nicht Akten und Verfahren, das Strafgericht hat dies anders gewertet und dem muss ich mich unterwerfen, es wird eine andere Einsicht gehabt haben, als ich. So ist es dann die Logik des Rechtes, die zu diesem Schadenersatzanspruch geführt hat, den man im Ergebnis durchaus als pervers empfinden muss. Aber jene Logik des Rechtes ist unverbrüchlich, auch wenn sie unter unglaublichen Ausnahmekonstellationen zu solch einzigartigen scheußlichen Ergebnissen führen kann. Denn alles andere rüttelte an den Fundamenten der offenen Gesellschaft.
Wer sich zum Rechtsstaat als Grundlage der freiheitlichen Demokratie bekennt, muss bereit sein, solche Ausnahmen zu ertragen, denn es gibt keine Alternative. Gerechtigkeit ist das subjektive Empfinden des Einzelnen, Recht als allgemeingültige Normen, die keine Ausnahme zulassen, aber das Zentrum einer Ordnung von Freiheit und Demokratie.
Es sei tröstlich, dass der Mörder, der die Kälte hatte, allen Ernstes diesen Prozess zu führen, in seiner Zelle wenig Freude an dem Geld haben wird.
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