Vielleicht wird er einfach nur senil, das wäre eine ganz akzeptable Entschuldigung. Die Zahlenspiele sind ebenso abstrus, wie die Schlüsse. Von acht Millionen deutschen Kriegsgefangenen im Osten zu fabulieren, als ein Schriftsteller, der sich mit diesen Zeiten immer wieder auseinandergesetzt hat, ist denn doch erschreckend. Mit drei Millionen Deutschen trat die Wehrmacht am 22. Juni 1941 an, es war zugleich auch der absolute Höchststand an deutschen Soldaten, der je im Osten gewesen ist, die Zahlen waren rapide abnehmend und wurden nur unzulänglich durch Verbündete und ausländische Freiwillige ergänzt. Die Deutschen scheiterten an ihren mangelnden personellen (und später auch materiellen) Ressourcen, hätten sie auch nur fünf Millionen im Osten zusammen gebracht, sähe die Welt heute erschreckend anders aus. Entweder der Herr Grass hat seine Bücher recherchefrei verfasst, oder, siehe oben, er ist tatsächlich senil. Die wirklichen Zahlen sind in der Süddeutschen nachzulesen, in diesem Fall hat das linke Kampfblatt ausnahmsweise mal recht.
Also Schwamm drüber, zu viel der Ehre für diesen ewigen Wichtigtuer, Deutschland hat andere Probleme? Im Prinzip ja, – wäre es nicht den Gedanken wert, ob es nicht symptomatisch wäre, der gute Grass nur ausspräche, was so mancher derer, die die historische, kulturelle und sonstige weltpolitische Weisheit mit Löffeln gefressen haben, denkt, nämlich, ob bei all dem Ärger mit den lebenden Juden, die ja eh doch die heimlichen Nachfolger der Nazis sind, es nicht Zeit wird, auch die Ermordeten, auf die die sich fieserweise immer wieder beziehen, weshalb man sie so schlecht Nazis nennen kann, etwas niedriger zu hängen. Man braucht die ja heutzutage nicht mehr wirklich so zum Instrumentalisieren. Schon als der Grass die heimelige DDR erhalten wollte, hat es ja versagt, Auschwitz bezugsfrei aus dem Hut zu ziehen. Und dann nerven die einen noch, nur weil man jahrzehntelang nicht zugeben konnte, dass man als Junge in der Waffen-SS war. Da kocht das Deutsche im Grase doch mal so richtig über, kommt all das Verdrängte raus, wen interessieren da noch richtige Zahlen. Und selbst aus den Bolschewikensystemen, denen er bis zu ihrem Zusammenbruch hinterher geschleimt hat, werden plötzlich kommunistische Tyranneien. Nicht nur im Weine, auch in der Wut liegt ja Wahrheit.
Die wahren Linken sind anders und er hat nur so getan, als ob er einer wäre? Mag Balsam für die Seele sein, doch nicht nur die umbenannte SED ist ein hübsches Beispiel für die Kontinuität. Waren nicht schon die Denkmäler für die Opfer in den kommunistischen Staaten „judenfrei“ und sprachen nur von Sowjetbürgern? Hatte nicht die DDR die goebbelschen Zähltricks der Bombenopfer von Dresden übernommen, weil es in die antiwestliche Propaganda passte?
OK, belassen wir es dabei. Sonst wird es doch zu viel der Ehre.
*) Relativierung von Kriegsgräueln – Wie Günter Grass den Weltkrieg und dessen Folgen verrechnet
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