Die mysteriösesten Morde der letzten Jahre scheinen aufgeklärt. Zwei Rechtsradikale sind tot, haben sich nach jetzigem Ermittlungsstand erschossen, ihre Komplizin hat sich gestellt, die Tatwaffen fanden sich in den Trümmern der selbst zerstörten Behausungen. Zu den Hintergründen bleiben viele Fragen und eine Menge Polizeiarbeit ist noch zu leisten. Bei dem, was da binnen weniger Tage auf die Ermittler einstürzte, kein Wunder.
Nichts in diesem Land ist leider so vorhersehbar, wie das Verarbeiten eines solchen Falles mit nachvollziehbar noch nicht ansatzweise geklärten Hintergründen zur Munition im politischen Grabenkampf, vom empört erhobenen Zeigefinder bis zur Verschwörungspsychose. Allen Seiten, die sich da zu Wort melden, ist zweierlei gemeinsam; sie haben keine Ahnung, was der tatsächliche Rahmen der Taten ist (das dürfte zur Stunde nicht einmal die Polizei wissen) und auch keinerlei Interesse, abseitige Welten zur Kenntnis zu nehmen, die in das simple eigene Schema nicht passen, was auch daran liegt, dass kein Begriff so gern dem Gegner um die Ohren geworfen wird, wie das Wort „Nazi“ und kaum jemand, der das tut, die Weltanschauung des Nationalsozialismus verstanden hat oder sich auch nur der Mühe unterzogen hätte, es zu versuchen.*)
Man wartete förmlich drauf, es war dann Cem Özdemir bei Günther Jauch, der die Anspielung in Richtung derer als Brandstifter machte, die man gemeinhin Islamkritiker nennt, in dem er einem rechten Aussteiger, der das nicht wirklich verstand, suggerierte, ob nicht eine Diskussion, wie sie angeblich der Sarrazin angestoßen hätte, Rechtsterroristen motivieren würde.
Damit ist dann, wie einst bei Breivig, die übliche Diskussion eröffnet. Einfach nur ein weiterer lächerlicher Versuch, mit einem untauglichen Fall auf Andersdenkende los zu gehen, weil man die Kritik an Schwulenhatz, gnadenloser Unterdrückung junger Frauen, Ersetzung des Rechts durch eigene mittelalterliche Vorstellungen und einem Antisemitismus in islamischen Milieus mit allen Stürmerstereotypen nicht erträgt? Soll man es schulterzuckend abtun, mit der ironischen Bemerkung, dass der Unfug des Herrn Özdemir schon deshalb blühend ist, weil die Morde fast ein Jahrzehnt vor der Islamistendiskussion begannen? Für Herrn Özdemir und seine Epigonen dürfte das reichen, man soll ihn nicht wichtiger machen, als er ist.
Für die Bewertung dessen, was da geschehen ist, allerdings reicht es nicht. Diese Mörder haben nichts mit Islamhassern zu tun, der totalitäre Islam war sogar einst Vebündeter der Nazis und man lese einmal Horst Mahler zum 11.09., da kommt dies Motiv sogar wieder durch, beider Seiten Vorstellungen sind ähnlich menschenfeindlich, totalitär und antisemitisch. Es ist reiner Opportunismus, der das Nachwuchsrekrutieren erleichtert, der die heutigen Nazis davon abhält, diese alten Bündnisse wieder aufleben zu lassen. Es wurden auch keine religiösen Fanatiker ermordet oder aggressive Angehörige von Jugendbanden, sondern hier lebende integrierte Unternehmer, die auch jene, die mittelalterliche Islamansprüche bekämpfen, gern in diesem Land haben. Die Motive sind viel erschreckender, viel weitergehender, es ist der reine Rassismus, der sich sehr bewusst gegen die integrierten Migranten richtet. Nicht Religion, nicht andere Kultur sind die Mordmotive, sondern nur die fremde Herkunft. Das ist die Botschaft der Taten. Das ist das Wesen des Nazismus. Es ist der völkische Rassismus, dessen Vernichtungswille unabhängig von religiöser Überzeugung und Integration seiner Opfer ist. Diese Mörder nannten sich sehr bewusst Nationalsozialistischer Untergrund, sie wussten auch was das ist, sie handelten auf dieser Grundlage, sie waren weder wirr, noch dumpf, ihre Taten waren kalt, überlegt und ideologisch konsequent und sie dürften sich nicht dafür interessiert haben, wie Verteidiger der offenen Gesellschaft freiheitsfeindliche Ansprüche einer Religion kritisieren oder sich dafür einsetzen, aus Gegengesellschaften Bestandteile unserer freiheitlichen Ordnung werden zu lassen, ihnen ging es um Auslöschung und Vertreibung von Menschen anderer Herkunft, allein an dieser Herkunft fest gemacht. Was sich hier offenbart zu haben scheint, eignet sich nicht für die politische Tagesauseinandersetzung zu islamischen Parallelwelten.
Nicht viel besser allerdings als Özdemir und Co. sind aber auch so manche, die sich rechts der Mitte definieren und unnötig in die Defensive begeben, die reflexartig auf linke Gewalttäter verweisen, abwiegeln, weil es nur wenige Täter zu sein scheinen und dabei verdrängen, dass die Opferzahl durchaus RAF-Qualität hat, oder gar Verschwörungstheorien zurecht basteln, wonach irgendwelche türkische Rechte mit daran beteiligt wären oder gar der Verfassungsschutz zur Verdeckung von was auch immer die Täter erschossen hätte, alles darum nie geklärt würde. Dies ist unangemessen und unwürdig. Vor allem ist es dumm, denn es nimmt die Glaubwürdigkeit, Missständen auf linker wie islamischer Seite entgegen zu treten. Kein Konservativer vergibt sich etwas, wenn er erkennt, dass es auf der rechten Seite Abgründe gibt, die man so nicht für möglich gehalten haben mag. Wem der Zufall einen Einblick in die Kameradschaftszene verschafft hat, dem korrigiert er auf gruselige Weise den Glauben, dass das, was einem das Fernsehen so vorsetzt, nur aufgebauschtes Vorurteil wäre. Der gemeine Nazi ist erschreckender Weise genau so, wie er einem immer vorgestellt wird. Und dies mit durchaus intellektuellen Vordenkern, die eine glasklare, revolutionäre völkisch-nationalsozialistische Weltanschauung haben und einer unglaublichen Gewaltbereitschaft gegenüber Andersdenkenden, anders Aussehenden und Schwachen. Selbst kleine unauffällige Gruppen sind nicht nur grundsätzlich bereit, Anschläge zu begehen, sondern führen insbesondere Brandanschläge von Zeit zu Zeit auch aus. Diese Welt mit unzweideutig nationalsozialistischer Gesinnung existiert, was sich auch immer als Wahrheit über diese Mordserie herausstellen wird und ihre organisatorischen wie psychischen Strukturen lassen es sehr wohl als möglich erscheinen, dass hier drei Menschen völlig abgetaucht sein könnten, um mit logistischer Unterstützung einiger weniger anderer mehr als ein Jahrzehnt mordend durch das Land zu ziehen, was sie zynisch „Taten statt Worte“ nannten. Dies lässt sich auch nicht mit linken Gewalttätern aufwiegen und wer es zu beschönigen versucht, muss sich fragen lassen, was er damit bezweckt und ob er nicht die Erkenntnis haben sollte, der eigenen Sache damit nur zu schaden.
Der konservative Vertreter der offenen Gesellschaft jedenfalls ist ein entschiedener Gegner aller Feinde der Freiheit, der sich darum die Özdemirs gelassen anhört und ohne wilde Spekulationen abwartet, welche Ermittlungsergebnisse am Ende stehen.
*) Wer es möchte, dem sei das Buch Best: Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903-1989 (http://www.amazon.de/Best-Biographische-Radikalismus-Weltanschauung-1903-1989/dp/3801250369/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1321291187&sr=8-2) von Ulrich Herbert empfohlen. Er wird danach auch nie wieder der Versuchung erliegen, diese Ideologie eines einzigartigen Bruches mit der Zivilisationsgeschichte der Menschheit für eine simple faschistische Diktatur zu halten. Kaum etwas hat so der Historisierung der NS Zeit Vorschub geleistet und die Singularität der Verbrechen in Frage gestellt, wie der linke Faschismusbegriff, der bis heute in Diskussionen und sogar Schulen zu Hause ist.
Diskussionen
Es gibt noch keine Kommentare.