Gutti is back. Da regt nichts die Fantasie der Journaille so an, wie das Verbinden diffuser Projekte mit einem charismatischen Namen in der Hoffnung, damit so etwas wie self-fulfilling prophecy in Gang zu setzen. Letztendlich führt das natürlich allenfalls dazu, einen kleinen Begeisterungssturm bei jenen mit Erlösungserwartungen auszulösen und der linken Seite einen Popanz zu geben, an dem es sich trefflich hochziehen lässt. Solange es der Auflagensteigerung dient, ist das Ziel erreicht und auch irgendwie OK, wir sind ja Marktwirtschaftler.
Bedauerlicherweise aber bedürfen komplexe Fragestellungen keines Erlösers, sondern überlegter Konzeptionen. Ebenso wie ein hochtalentierter Politiker nach einem tiefen und durchaus selbst verschuldeten Fall sich all seiner künftigen Möglichkeiten berauben würde, wenn er sich mit Heilserwartungen an die Spitze von Möchtegernbewegungen setzte, deren inhaltliche Gemeinsamkeit sich allenfalls auf Angieistanallemschuld, ZurückzurD-Mark und Islamkritik reduzieren ließe, alles im übrigen drei Punkte, bei denen schwere Zweifel angebracht sein dürften, ob Guttenberg sie überhaupt teilte. Und das besondere an ihm, das ihm diese Anhängerschaft einbrachte, bestand ja gerade darin, dass er stets unabhängig von Opportunitäten seine eigene Meinung vertreten hat, das gab ihm die Authentizität. Wer nun einen Inhalt hinter seinen etwas nebulösen und daher auch enttäuschenden Äußerungen in Halifax sehen will, wird um die Erkenntnis nicht umhinkommen, dass sich die Kritik auf die mangelnde Kommunikation der europäischen Probleme, nicht auf die Ansätze der Regierung zu ihrer Lösung bezieht. Nichts also, was inhaltlich auch nur ansatzweise dazu berechtigte, in ihm den künftigen Führer einer konservativen Volksbewegung außerhalb der Union, von der der eine oder andere träumen mag, zu sehen.
Es ist schlicht die Größe seiner zumeist jungen Anhängerschaft, auf die man spekuliert, was kümmern da Inhalte. Und genau an diesem Punkt verraten jene unter den potentiellen Parteigründern nicht nur ihren Grundansatz, der besagt, die Unionspolitik wäre zur Zeit beliebig und inhaltsleer, was sie ja ist, weshalb man eine auf Werte beruhende neue Partei aufbauen müsse, sondern zeigen auch ihre eigentlich Schwäche, das Fehlen von Köpfen. Mit Ausnahme von Hans-Olaf Talkshow Henkel haben nämlich bislang alle, die je mit einer derartigen Idee in Verbindung gebracht wurden, stets abgelehnt, dafür zur Verfügung zu stehen und das mit gutem Grund.
Dass ein Guttenberg nach allem, was über ihn ihn hereingebrochen ist, sich der Schmeichelei, als Messias mit neuer Partei zurückzukehren, nicht völlig entziehen kann und damit kokettiert, macht ihn zwar menschlich, überlegt ist es sicher nicht. Seine inhaltlichen Vorstellungen von einer „Programmatik der Mitte“ ohne jede Konkretisierung erinnern denn doch mehr an Mutti Angie, auch wenn der einzige Detailpunkt, das Bekenntnis zu Israel, sich natürlich begeisternd von den fassungslos machenden Polenzen in der Union abhebt. Allein, mit den konservativen Gründungswilligen hat das alles wenig zu tun, weshalb die geschmeichelte Eitelkeit denn auch schnell dem Pragmatismus weichen sollte. Karl-Theodor zu Guttenberg war ja nun auch nie ein Grundsatzprogramm schreibender Parteitheoretiker, sondern ein entschlossener Macher mit dem Anspruch auf eine eigene Meinung. Das sollte er bleiben, als das wird er gebraucht.
Bleiben die Parteigründer. So flapsig ihre Inhalte auch oben beschrieben wurden, sie entbehren ja nicht der Berechtigung. Die Entpolitisierung der CDU zurück zum Kanzlerwahlverein hat desaströse Folgen, wie in jeder Wahl deutlich wurde, aber trotz des dornigen Weges ist es wesentlich einfacher, von der Basis aus die bestehende Partei der Mitte wieder mit Inhalten zu füllen, als eine neue aufzubauen. Die Eurokrise ist eine gewaltige Herausforderung, sie zwingt alle überkommenen Konzepte einer Prüfung zu unterziehen, nur, Rückzug und D-Mark als einziges Lösungsangebot ist bei globalisierten Finanzmärkten etwa ebenso eindimensional, wie die Phrasen der Occupanten. Den einen oder anderen Wähler wird es ansprechen, aber wehe Herrn Henkel, er sollte das statt bei ntv in verantwortlicher Position vertreten müssen, auch hier gilt es, das komplizierte Vortasten auf unbekanntem hochriskantem Terrain gemeinsam zu führen. Man muss Angela Merkel ja lassen, dass sie Deutschland vergleichsweise unbeschadet durch die Krise von 2008 gebracht hat, die größte und merkwürdigerweise unbeachtetste Leistung ihrer gesamten Amtszeit. Das Taktieren ohne zu Handeln zu Beginn der Griechenlandkrise war deutlich fehlerhaft, aber sie gewinnt an Schwung und der eine oder andere hat bereits erkannt, dass das Gebot der Zeit darin besteht, den Kampf gegen die Eurobonds zu unterstützen, statt sich weiter im Merkelbashen selber zu befriedigen. Bleibt die sogenannte Islamkritik, die legitim und notwendig ist, wenn sie sich gegen totalitäre Religionsansprüche einer Minderheit von Zuwanderern, unerträgliche Parallelgesellschaften, Unterdrückung von Frauen und einen neuen alten Antisemitismus richtet. Es ist das Gesellschaftsproblem schlechthin und die große Schwäche der Union, hier viel zu vorsichtig zu agieren. Aber es ist auch nur in einem großen Diskurs vernünftig lösbar und den kann nur eine große Volkspartei führen, erst intern, damit es sich ausgepolenzt hat und dann nach außen kommuniziert. Ein harter Weg, zweifellos, aber einer der Sinn macht. Das Beispiel „Freiheit“ in Berlin hat gezeigt, das für das Thema allein, nicht einmal in Berlin, kein ausreichendes Wählerpotential vorhanden ist. Natürlich wäre ein Sarrazin an der Spitze über 5% gekommen, allerdings der wollte lieber Sozi bleiben und seine Tantiemen genießen, statt erleben zu müssen, dass die kleine Leute unter seinen Wählern schnell bemerkten, was für arroganten Müll er außer den richtigen Erkenntnissen zu Neukölln & Co sonst noch so geschrieben hat. Eintagsfliege mit Bestseller. Als einzige Konsequenz neuer Parteien bliebe eine stabile Mehrheit auf der Linken.
Und noch einmal. Vermochte irgendjemand bei den vorgenannten Themen Guttenberg wieder zu finden? Falls ja, möge er sich melden.
Die Partei der Mitte gibt es. Es ist die Union. Und sie ist in einer gewaltigen Krise, denn ihr fehlt die inhaltliche Diskussion, sie ist entpolitisiert worden und wesentlicher Werte beraubt. Allerdings nur von einer kleinen Führungsschicht. Sie wieder aufzubauen, ist die harte, aber einzig erfolgversprechende Aufgabe der Konservativen und die, die sich daran versuchen, sind es, die alle Köpfe brauchen.
Packen wir es an. Auch mit Karl-Theodor zu Guttenberg.
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