Dann und wann bleibt das Auge im Internet an Links hängen, die so viel unfreiwillige Komik versprechen, dass man auf sie klickt und stößt man dabei auf eine solch wundersame Geschichte, wie die der Rudolstädter, die politische Zeichen setzen, so weiß man nicht nur, dass die besten Satiren immer das Leben selber schreibt, sondern hat auch einen Anlass, die Gedanken darüber, was einen schon immer störte, in Worte zu fassen.
Sind sie gegen Rechts? Klar, nickt jeder, wer kann da nein sagen. Gegen Rechts ist die größtmögliche Koalition zusammen zu bringen, gegen Rechts kann man so gut wie alles machen, Projekte, Konzerte, Demonstrationen, Blockaden, Bündnisse, Netzwerke, Comics und sogar im Rudolstädter Schwimmbad seine Bahnen ziehen. Welcher banalen Alltäglichkeit man gerade nachgeht, immer die beiden Worte anhängen und schon wird daraus ein politisches Event, das nur Zustimmung erfährt. Wer diese griffigen zwei Worte erfunden hat und die Wahrscheinlichkeit ist mehr als hoch, dass er aus dem linksradikalen Antifamilieu kommt, hat einen Volltreffer mit überlegter Absicht gelandet. Natürlich denkt der unbedarfte Bürger, er stünde damit an vorderster Front im Kampf gegen die neuen Nazis, nur stehen tut da „gegen Rechts“ und was das ist, da fängt es an spannend zu werden, definieren ausschließlich die Erfinder des Kürzels.
Diese Spielerei hat Tradition, lässt sich doch mit ihr der potentielle politische Gegner ohne Notwendigkeit einer sachlichen Auseinandersetzung trefflich matt setzen, nichts ist so tödlich im politischen Geschäft, wie das Etikett „rechts“ zu sein. Schon die Bolschewiken erfanden den Faschismusbegriff, mit dem sie nicht nur jede Art rechter Diktatur unter einen Nenner brachten und diese dem marxistischen Geschichtsbild als letztes Stadium des Kapitalismus zuordneten, sondern dabei auch schon einmal, kreativ argumentierend, in den 20er und 30er Jahren die Sozialdemokratie als Sozialfaschisten in eine Schublade mit Hitler werfen konnten. Wie so vieles andere, hätte sich auch dies als der übliche Murks einer totalitären Glaubensphilosophie 1989 abhaken lassen können, würde nicht bis heute der Begriff fortleben, sogar an Schulen gelehrt, wo dann der Nationalsozialismus zum deutschen Faschismus mutiert, als wäre er nur einer unter vielen und nur das übliche, bei dieser Art der Vermittlung sogar nachvollziehbare, allgemeine Desinteresse der Schüler erspart in der Regel dem Lehrer die peinliche Frage, worin dann das Singuläre des Nationalsozialismus bestehen würde.
So konnte der alte rote Kampfbegriff, dessen wahre Zielrichtung immer der westliche Gegner und nicht der vorgeschobene Nazi war, seine fröhliche Weiterentwicklung finden, in eben jenem „gegen Rechts“. Und „Rechts“ ist ungemein viel Neues zu entdecken, denn seit den langweiligen Zeiten des Kalten Krieges sind außer den üblichen Diktaturen, Logen und Geheimdiensten Scharen von Rechten im eigenen Lande hinzu gekommen. Zum Beispiel nationalkonservative Intellektuelle, die in Organen wie der Jungen Freiheit, der Blauen Narzisse, der Sezession oder anderen als grenzwertig erachteten Magazinen publizieren. Die muss man nicht mögen, sie provozieren oft scharfen Widerspruch, wenn auch manches durchaus Spannende und Herausfordernde dabei ist, aber viel simpler, als sich mit ihnen auseinander zu setzen, ist es ja, sie als „rechts“ zu deklarieren, was sofort den Geruch des „rechtsradikal“ hat und damit den Gegner zum Paria macht, der aus dem politisch akzeptierten Wertesystem herausfällt, man ihm im nächsten Schritt die abstruse geistige Nähe zum Neonazi unterstellen kann, ohne das noch begründen zu müssen. Es verschiebt auf perfide Weise das Koordinatensystem, jedenfalls, wenn man beginnt, es zu akzeptieren. Der Nationalkonservative, der weder die westlichen Werte und noch gar die Demokratie in Frage stellt, fällt plötzlich aus dem demokratischen Spektrum heraus, während der denunzierende Angehörige der Linkspartei, einer Organisation, die 40 Jahre in Deutschland einer blutigen Diktatur vorgestanden hat, sich zum Richter aufspielt, der das „Demokrat sein“ definiert. Darüber lässt sich anfangs sicher lachen, aber es hört dann auf, lustig zu sein, wenn es wahr sein sollte, dass das simple Schreiben in einem dieser Magazine schon dazu führte, dass ein CDU Kreisverband einem langjährigen jungen aktiven Mitglied nahelegte, seine Mandate aufzugeben, die hohle Propaganda also beginnt, tief ins eigene Lager hinein Erfolg zu haben.
Der eine oder andere mag sich schon gedacht haben, um diese Handvoll Rechtsintellektueller wäre es nicht so schade, ist nicht das rechte Spektrum als solches schon verdächtig. Er irrt, wenn er sich sicher davor glaubt, nicht in Windeseile selber dort zu landen. Tatsächlich gibt es seit ein paar Jahren Nachdenkliche, übrigens aller Hautfarben, Herkünfte und Religionen, die sich mit der Frage befassen, ob und wie totalitären Religionsansprüchen, wenn sie beginnen, die Offene Gesellschaft zu erfassen, sich unter dem Deckmantel der Toleranz Freiräume schaffen wollen, in denen sie ihre voraufklärerischen Vorstellungen ihren (vor allem aus den eigenen Migrantenkreisen stammenden) Mitmenschen aufzuzwingen versuchen, dem Schwulenhass, wie dem stürmerähnlichsten Antisemitismus frönen, entschieden entgegen zu treten wäre. Anfangend damit, allein zu benennen, was in einzelnen Stadtvierteln deutscher Städte sich so abspielt, womit die deutschen Medien immer das eine oder andere Problem haben; richtig fies wird das, wenn in Hamburg St. Georg der Stadtteil zweigeteilt ist und immer wieder Täter von der muslimischen Seite aus seit Jahren einen mit nicht selten recht brutalen Überfällen einhergehenden Kleinkrieg gegen die Schwulen auf der anderen Seite führen, um sie zu verdrängen und die Medien der Stadt aus der politisch korrekten Zwickmühle, sich weder Schwulen- noch Islamfeindlichkeit vorwerfen lassen zu wollen, die Konsequenz ziehen, gar nicht zu berichten.
Unbestritten tummeln sich im Bereich der Islamkritik auch eine Menge Paranoiker, die hinter allem Elend der Welt die Muslime sehen und unfähig sind, die Grauzonen der Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen. Legionen entsprechender Onlinemagazine und Blogs belegen das. Der Scheuklappenblick als Phänomen ist aber auch nicht neu, genügend ähnlich Strukturierte gibt es auf der anderen Seite, die im Kapitalismus im Allgemeinen und den Banken im Besonderen das Weltübel sehen; das Eindimensionale macht das Leben leichter, unabhängig der politischen Richtung. Grund genug für eine kritische Debatte, die aber mitnichten stattfindet, man kann ja die ganze Diskussion viel einfacher bewältigen, in dem man diese Form der Auseinandersetzung mit dem Islam zum rechtsradikalen Rassismus erklärt, damit die Nazinähe schon wieder herausholt und vor allem, mit der nächsten Vergewaltigung der Logik, gleich jeden, der sich nur mit dem aggressiven Fundamentalislam beschäftigt, dazu zu schlagen, weil er ja dasselbe Thema behandelt. Damit ist nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Islamismus, als totalitärer Religionsform ab sofort eben rechtsradikaler Rassismus und antidemokratisches Handeln geworden (einerlei ob da Begriffe vermengt werden, die nichts miteinander zu tun haben), sondern in Hochgeschwindigkeit finden sich Leute, die Adorno zitierend bis gestern noch glaubten, Linke zu sein, in der braunen Ecke wieder. Und in geschichtslosen Zeiten der Dummheit hilft es ihnen nicht einmal, wenn sie jüdischer Herkunft sind. Braun geht immer.
Die ganz Dummdreisten unter den „Gegen-Rechts-Kämpfern“ machen dann gleich den richtig großen Mix und der Weg von der Islamdiskussion, die Rassismus wäre, über den Rassisten, der normalerweise eines Tages töten würde (erfreulicherweise ein völlig absurder Satz, wenn jeder Rassist eines Tages tötete, wäre die Welt unerfreulich leerer) bis zu den Naziterroristen der NSU ist frei. Das sagt leider nicht nur viel über die mangelnde Kenntnis der Grundrechenarten solch verstörter Argumentierer aus, die Nazimorde dieser NSU begannen ein Jahr vor 9/11, wenn man dieses Datum als ersten Beginn einer verstärkten Konfrontation mit radikalem Islam betrachten will und endeten 2006, als der Sarrazin noch Wowis braver Finanzsenator war, sondern erreicht auf andere Weise die Grenze dessen, was man kopfschüttelnd als psychisches Problem Einzelner tolerieren könnte. Dieselbe Grenze übrigens, die auch schon den alten Faschismusbegriff so unerträglich machte:
Die Unkenntnis über das absolut Böse, das sich zu keiner tagespolitischen Auseinandersetzung eignet, die durch Gleichsetzung des ungeliebten politischen Gegners entstehende Verharmlosung des größten Zivilisationsbruches der Geschichte, des Nationalsozialismus. Die Nazis waren (und sind) weder reaktionäre Anhänger faschistoider autoritärer Systeme, simple Ausländerfeinde, noch die Endstufe des Kapitalismus und schon gar nicht hatten sie ein Problem mit dem radikalen Islam. Im Gegenteil, ihr Verbündeter Mohammed Amin al-Husseini, bis heute Held der Palästinenser und seinerzeit Großmufti von Jerusalem, hatte sein Exil während des Krieges in Berlin und wurde zu seiner großen Freude stets über den Fortschritt der Judenvernichtung auf dem Laufenden gehalten. Der Nationalsozialismus ist die Ideologie der Verschiedenwertigkeit der Völker, wobei der “Volkskörper”, den man sich wohl in der Art eines Ameisenhaufens vorzustellen hat, das Individuum als Subjekt ablöst und für seine Lebensfähigkeit und Weiterentwicklung blutmäßig rein zu halten ist (weil eine Vermischung mit zu anderen Volkskörpern gehörenden Menschen ihn schwächte), dabei sich in stetem Kampf mit konkurrierenden Volkskörpern befindet. Dieses krude Konstrukt, das man auch völkisch nennt, ein Begriff, den kaum jemand, der ihn verwendet, auch nur ansatzweise verstanden hat, führt dazu, dass alle Errungenschaften der Zivilisation, von Mitmenschlichkeit über Sozialpolitik, Gerechtigkeit und Rechtsystem, Gleichkeitsgrundsatz, einfach alles was die Menschheitsgeschichte bis dahin entwickelte, seine Geltung verlor und durch das gegenläufige Interesse des gesunden Volkskörpers ersetzt wurde. Nur so ist das emotionslose, systematische, gewissensfreie und keine Ausnahmen zulassende Ermorden von Millionen von Menschen nur aufgrund ihrer angenommenen Zugehörigkeit zu einer anderen Rasse, einem anderen, den eigenen angeblich gefährdenden Volkskörper zu verstehen, und nur mit diesem Wissen lässt sich die menschheitsgeschichtliche Singularität des Nazismus als Verbrechen aufzeigen.
Das Entsetzliche an den Naziterroristen der NSU besteht darin, dass sie genau dieser Weltanschauung entsprechen und in diesem Sinne handeln wollten und gehandelt haben. Man googele “Thüringer Heimatschutz” und mit etwas Findigkeit kann man die ganze Ideologie nachlesen. Man nehme sie beim Wort, “Taten statt Worte” und betrachte Taten und Opfer. Die Taten sind ebenso gnaden- wie gefühlslos an völlig fremden Menschen begangen worden, nur der kann so handeln, der seinem Opfer die Gleichwertigkeit als Mensch abspricht. Die Opfer waren integrierte Kleinunternehmer türkischer Herkunft, geradezu das Ideal dessen, was man sich als Zuwanderer wünscht, keiner durch “Islamismus” aufgefallen. Sie wurden nicht ermordet, weil sie muslimisch waren, sondern weil sie Türken waren, nicht die Religion hatte eine Bedeutung, sondern ausschließlich die Herkunft. Das Signal der Tat hieß, genau die, die hier wie alle anderen auch leben, wollen wir nicht, denn sie gefährden unser Blut durch Vermischung, oder wie auch immer die kranken Hirne es formuliert hätten. Und jenen Millionen anderer Menschen nichtdeutscher oder sagen wir gleich “nichtarischer” Abstammung sollte verdeutlicht werden, dass Einfügen und zur deutschen Gesellschaft gehören nichts ändert und Furcht eingejagt werden, auf dass sie sich überlegen, von sich aus zu gehen. Klarer, als durch Begehung und Opferauswahl hätten diese Täter ihre Gesinnung und diese Aussage der Taten durch kein Bekennerschreiben verdeutlichen können. Es ist das glatte Gegenteil der Gedankenwelt des die kulturelle Integration des Zuwanderers in die freiheitliche Ordnung anstrebenden Islamkritikers. Wer das nicht zur Kenntnis nimmt und statt dessen den Hintergrund dieser Mörder politischen Gegnern zuzuschieben versucht, um deren Islamdiskussion abzuwürgen, die Naziterroristen also für sein eigenes Süppchen nutzbar machen will, der verharmlost damit zugleich das Ungeheuerliche, das im Sumpfe der Kameradschaften heran gewachsen ist; eben genauso wie der Faschismusbegriff immer denen zugearbeitet hatte, die die Einzigartigkeit der Naziverbrechen gern in Frage gestellt hätten.
Nichts macht so sehr Sinn, wie der Gedanke der Familienministerin, die staatliche Alimentierung all jener Initiativen auf den Prüfstand zu stellen, die angeblich die Rechten bekämpfen. Ihre Effizienz jedenfalls war eindeutig nicht größer, als die der kläglichen Sicherheitsorgane, was daran liegen könnte, dass ihr eigentlicher Kampf „gegen Rechts“ auch gar nicht den Nazis galt, sondern all jenen, die sie zusätzlich als “rechts” definierten und in die Ecke stellen wollten und wollen. Nötig ist stattdessen ein durchdachtes, entschlossenes und koordiniertes Konzept gegen den sich nationalen Sozialismus nennenden heutigen Nationalsozialismus.
Was den selbsternannten Antifas gelungen ist, ist nicht nur, ihre Terminologie und sinnfreien Aktionen, siehe Rudolstadt, in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft zu tragen, sondern leider bei ihren Lieblingsgegnern, einigen der Rechtskonservativen und Islamparanoiden so viel Gewöhnung an den ständigen Nazivergleich hervor zu rufen, dass diese reflexartig lieber die unsinngsten Verschwörungstheorien über die Naziterroristen glauben und verbreiten wollten und auch mit erschreckender Empathiefreiheit den Opfern gegenüber reagierten (was übrigens auf linker Seite nicht besser war, als “Nichtislamisten” eigneten sich die Gemordeten einfach nicht nicht zur näherer Befassung), als sich der, sie gar nicht betreffenden, Wahrheit zu stellen, weil sie sich unter einem real nicht existenten Rechtfertigungszwang sahen.
Gerade Mitglieder und vor allem führende Vertreter der Union sollten daraus lernen, Begriffe erst mit Inhalten zu füllen, bevor man sie übernimmt und solchen Begrifflichkeiten entgegen zu treten, deren Aussage der Gegner definiert. Wenn die Aufgabe des neuen Jahres darin bestehen soll, die Fortexistenz der Union als führender Volkspartei dadurch zu ermöglichen, dass sie wieder zu ihren Grundsätzen und zu politischen Aussagen zurück findet, dann steht dabei auch die Kampf um die Herrschaft über die Worte ganz oben auf der Agenda.
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