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Waldemars Altarchiv

Zeit der Reißleine

Es kann immer schlimmer kommen. Wer hätte gedacht, dass das Motto fürs neue Jahr des Weltuntergangs schon am zweiten Tag seine Bestätigung bekommt. Christian Wulff kriegt es spielend hin.

Die Sache mit Diekmanns Anrufbeantworter allerdings scheint nur noch schwer zu toppen. Aber wer weiß, vor solchen Prognosen sei gewarnt. Ein Politiker, der dem Chefredakteur ausgerechnet der Bildzeitung wüste Drohungen auf den Anrufbeantworter spricht, ist nur noch, wie Stefan Aust es richtig darstellte, mit einem Begriff aus der Psychopathologie zu bezeichnen, „irre“ war es in diesem Fall und so wäre der Christian für jede weitere Überraschung gut. Damit allerdings sollte Unionsführung und Kanzlerin weiteres Nachdenken zum Thema „Was tun mit Wulff?“ erspart bleiben.

Die Geschwindigkeit der Wandlung vom farblosen bis durchsichtigen Präsidenten zur Witzfigur war sicher geeignet, auch diejenigen zu überfordern, deren Aufgabe darin besteht, rechtzeitig schadensmindernd einzugreifen, der Kanzlerin sei ihr bisheriges Zögern verziehen, das muss man einfach erst einmal realisieren. Anfangs war es der Spießer aus der niedersächsischen Provinz, der sich mit Ministerpräsidentengehalt ein paar Prozent Kreditzinsen sparen möchte, niemand hat ihn treffender und bitterböser dargestellt, als Henryk M. Broder, was ein paar ganz schmerzfreie Parteifreunde nicht daran hinderte, festzustellen, dass das ja nicht verboten wäre, ach hätten wir wenigstens dabei noch Tränen der Liebe zu sehen bekommen, wie beim Boetticher, stattdessen war ein gruseliger senffarbender Klinkerbau das Corpus Delicti. Darauf konnte sich der präsidiale Protagonist nicht mit sich selber einigen, obs die Gattin oder der reiche Gönner selber war, der den Kredit gab und am Ende war auch noch die hilfreich umschuldende Bank nett genug, vom Ottonormalzinssatz abzusehen. Wird das alles Tag für Tag scheibchenweise serviert, dann hindert das immer neue Durchatmen am Finden einer Konzeption des Umgangs. Nun ist die niedersächsische Provinz stets für Skandale gut, da gabs mal den Schröder, der zwar den schlechtesten Kanzler der Nachkriegsgeschichte gegeben hat, aber die gewaltigste und dazu dreisteste, weil völlig offene, Benutzung der politischen Amtsstellung zum eigenen finanziellen Vorteil dem staunenden Wahlvolk zu präsentieren wusste, indem er erst im Schnellverfahren als Abschluss seiner Amtszeit die Ostseepipeline durchpeitschte, dabei das Verhältnis zu Polen nachhaltig beschädigte, um wenige Wochen später nach Ende der Kanzlerschaft seinen Reibach bei genau dem Betreiber jener Pipeline zu machen. Aber das war wenigstens großes Kino, abgesehen davon, war er dann auf und davon, den heimischen Politikbetrieb zurücklassend, während Wulffis Kreditposse auf Bausparniveau ihn trotz Kenntnis bereits vorhandener journalistischer Neugier nicht hinderte, eine Runde Präsident werden zu wollen. Vielleicht muss man mindestens Bundestagsabgeordneter gewesen sein, um eine Vorstellung zu bekommen, weshalb hohe Ämter so oft zu einem völligen Realitätsverlust bei ihren Inhabern führen. Ein Phänomen, das gottseidank sich weder auf Christdemokraten noch auf Deutschland beschränkt.

Die Union konnte nur verlieren, die zweite gescheiterte Unionspräsidentschaft hintereinander. Vielleicht war der Wulff von Gabriels Gnaden noch die weniger peinliche Alternative, als das Eingeständnis des Fehlgriffs. Das einzig Gute am Anrufbeantworterbeschimpfen ist, dass dieses Abwägen nicht mehr geklärt zu werden braucht. Christian Wulff hat sich selber zu einer Witzfigur im Wortsinne gemacht und wird das nicht mehr loswerden. Dem armen Lübke ließ sich noch zu Gute halten, dass die Demenz von ihm Besitz ergriff, bei Wulff ist nur der Rückgriff auf das austsche „irre“ sein entschuldigend möglich. Jede salbungsvolle Präsidentenstunde wäre ab sofort mit Anspielungen gespickt, nichts, was er von sich gäbe, wo Reden halten doch der einzige Sinn des Amtes ist, würde ernst genommen und hungrige Journalistenmeuten aller Art gingen auf die Jagd, im nachvollziehbaren Glauben, bei jemandem, der so dusselig und abgehoben handelt, müsse sich doch noch viel mehr finden lassen. Finito Präsidento.

Der Vorteil des Desasters sind die überschaubaren Handlungsoptionen. Schaden bleibt immer, die Frage ist nur, wie er sich am kleinsten halten ließe. Wie es mit einem weiter präsidierende Wulff aussähe, wurde oben dargestellt, einen neuen Unionskandidaten durchzusetzen, erscheint vor dem Hintergrund schon der knappen letzten Wahl fast aussichtslos und selbst wenn ein solcher Kraftakt gelänge, müsste sich die Frage stellen, ob der dazu notwendige Aufwand nicht für sinnvolleres Regierungshandeln eingesetzt werden könnte. Was bleibt ist, wenn man es nicht Grünen und Sozen überlassen will, Joachim Gauck. Der jedenfalls erfreut sich hoher Beliebtheit und hat gezeigt, dass er politisch dem eigenen Lager viel näher ist, als dem derer, die ihn aufstellten. Die aber könnten sich dem jetzt schlecht widersetzen, das machte ihn durchsetzbar. Dass auch dies das Eingeständnis der eigenen Blödheit wäre, steht außer Frage, aber besser, als ein gegen die CDU durchgesetzter Laberlinker wäre das allemal, von einer im Amt bleibenden täglichen Lachnummer aus der Wulffsschanze ganz zu schweigen.

Über Waldemar Alexander Pabst

Undogmatischen Konservativer. Nazifeind, Antikommunist, entschiedener Gegner jedes religiösen Totalitarismus, Rassismus und nicht zuletzt der Verschwörungstheoretiker. Bekennender Israelfreund und das, was man einmal einen “Atlantiker” nannte. Vertritt uneingeschränkt das Gesellschaftssystem der freien Welt. Blog: https://schwarzoderweiss.wordpress.com/

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