Er wird also nicht 2013 für den Bundestag kandidieren, der Karl Theodor zu Guttenberg und das ist auch gut so. Unabänderlich zu früh, die Diskussion zu frisch, die Angriffsflächen noch zu groß. Es wäre ein Wahlkampf gegen Hass und Häme der Medien gewesen, der nur die missratene Dissertation im Mittelpunkt gehabt hätte, ein echtes Comeback ausgeschlossen, die Beschädigung perpetuiert. Mit einer sehr offenen Erklärung gab er seinen Verzicht bekannt, die seinen Gegnern wenig Spaß gemacht haben wird, denn sie war gut, es war der alte Guttenberg, der sich auch für diese in jeder Hinsicht missglückte Show vor ein paar Wochen entschuldigte und vor allem klar zur CSU bekannte. Er war nämlich kurz davor, sich zu zerstören und so zu verhalten, wie seine Feinde ihn immer dargestellt hatten. Das wäre ein Verlust gewesen, für ihn und vor allem für die Union.
Die Spott- und Hämediskussion war gewiss nicht ganz erfolglos, denn immer weniger war die Rede von seiner Leistung, selbst innerhalb der Union wurde die Legende vom Schaumschläger salonfähig, was letztlich zur Fragestellung führte, warum sollte man ihn eigentlich zurück haben wollen und seine ungebrochen hohe Anhängerschar in die Ecke der Dummen stellte. Die Dauerwiederholung von Propaganda hinterlässt dieselbe in den Köpfen, ändert jedoch nichts an der Realität. Die war davon geprägt, dass an dem Mann ja etwas dran gewesen sein musste, wenn er bis heute die Menschen hinter sich sammeln kann. Daran soll an dieser Stelle erinnert werden.
Sein Geheimnis war ungemein einfach, er sagte was er dachte, ohne darauf zu achten, wie es ankommt, neudeutsch nennt man das authentisch und glaubwürdig, was natürlich diejenigen, für die er der böse Lügenbaron ist, so überhaupt nicht verstehen können. Dabei hat er nur gezeigt, wie einfach Politik sein kann, wenn man sich im Zeitalter der Unterscheidungslosigkeit deutlich von den anderen absetzt. Zugegeben, dass er steinreich ist, war mehr als hilfreich dabei, lebte er doch nicht von Politik und konnte so jederzeit ohne Nachteil „nein“ sagen. aber besser als der parteisozialisierte meinungslose Anpasser war das allemal. Schon als er Opel nicht retten wollte, ging ein Aufschrei durch Blätterwald und Gewerkschaftskultur und alle Parteifreunde warteten darauf, dass er nun gleich zu Anfang schon auf die Nase fiele, wer hätte das riskiert, wo es doch scheinbar kleine Leute arbeitslos machen würde, obwohl ebenso jeder wusste, dass er im Recht war. Nur jene kleinen Leute hatten das sehr wohl kapiert und statt Sturz gingen mitten im Geschrei seine Beliebtheitswerte steil nach oben, wo sie seither nicht weg zu bekommen sind. Das Lehrbeispiel schlechthin, wie sich die Menschen Politiker wünschen.
Dann wollte er unbedingt die Bundeswehr bekommen, statt als Wirtschaftsminister mit viel Hochglanz PR und wenig Kompetenz an der nun vorbestimmten Karriere zu feilen. Auch wieder gegen alle Vernunft und mit dem Anspruch, nichts weniger, als den Umbau der Armee zu wagen. Erst erklärte er den geschockten Deutschen (hatte doch gerade der dortige Kommandeur per Luftunterstützung eine ganze Talibankompanie ausgelöscht und dabei nicht auf bei diesen befindliche Zivilisten geachtet), dass die Soldaten in Afghanistan, von Schröder und Fischer dort hin geschickt, keineswegs permanent Wasserlöcher zu Brunnen umbauen und Schuldächer reparieren, sondern Krieg führen. Und das gegen die widerlichste Steinzeitmörderbande seit den Roten Khmer. Während es heute Unionspolitiker gibt, die sich allen Ernstes darum bemühen, dass diese Menschheitsverbrecher in der Schweiz ein Verbindungsbüro eröffnen, auf das man darüber verhandeln könne, wie man ihnen das afghanische Volk wieder ausliefert, ging der Guttenberg daran, die kriegsführende Truppe kriegsfähig zu machen, während ihm gleichzeitig die üblichen Sparvorgaben vorgesetzt wurden, den Krieg hatte man in der Politik ja stets verdrängt. Die Bundeswehr war gespalten, eine panzergestützte Territorialarmee mit Wehrpflichtigen auf der einen Seite und eben die asymmetrisch kämpfende Truppe am Hindukusch auf der anderen; beides mehr schlecht, als recht unterhalten. Und so sehr das Herz am Überkommenen, an Großverbänden und Wehrpflicht hängt, dem Mann war nicht zu widersprechen, wenn er Prioritäten setzen musste und das konnte nur heißen, die, die für die Freiheit nicht nur den Hintern, sondern gleich den ganzen Kopf hinhalten, bestmöglichst dafür auszurüsten und das ging nur zu Lasten des Altbewährten. Über Jahrzehnte war die Bundeswehr vor allem eines, eine hoch bürokratische Verwaltung zur Förderung strukturschwacher Regionen und verschiedenster Wirtschaftszweige. Das war auch zu Zeiten des Kalten Krieges und der Zeit danach, als es nun gar keinen potentiellen Feind mehr gab, in Ordnung, mit einer kämpfenden Truppe allerdings ein Skandal. Ein Transportflugzeug unbedingt bei EADS zu bestellen und mit 10 bis 20 Jahren Verzögerung zu bekommen, ist ein Nogo, wenn gleichzeitig Soldaten im Kampfgebiet mit völlig veralteten oder Mietmaschinen auskommen müssen. Natürlich ist es schlimm für Regionen, wenn Standorte geschlossen werden, weil man die Mittel dafür an anderer Stelle, am Brennpunkt braucht, aber das war das Gebot der Stunde und Guttenberg hat es entschlossen angepackt, wissend, wie wenig Freunde man sich damit macht, selbst beim schwärzesten CSUler mit Herz für den Soldaten hört der Spaß am Kasernentor im Heimatdorf auf. Wehrpflichtige sind für eine so ausgerichtete Armee eine Last, Guttenberg ließ das Grundsätzliche grundsätzlich sein und schaffte sie kurzerhand ab. Auch diesen Mut hatte noch keiner aufgebracht. Dass ein Apparat wie die Bundeswehr mit vielfachem Gegeninteresse von Bürogenerälen und Beamtenschaft nicht in den wenigen Monaten umzusteuern ist, die Guttenberg hatte, ist klar, dass es Friktionen gibt und die Probleme nach seinem Abgang von den auf Trab gesetzten Widerwilligen genüsslich lanciert werden auch. Es bleibt seine größte Leistung; es ist zu hoffen, dass sein Nachfolger dies nicht opportunistisch verwässert.
Aktionismus und Selbstinszenierung haben ihm die Gegner vorgeworfen, was zwar politisch legitim ist, aber von der eigenen Seite energischen Widerspruch erfordert. Generäle, die den Minister falsch oder unzureichend informieren, gehören gefeuert, nur so ist die Autorität zu erhalten. Sein Vorgänger war das beste Beispiel für einen Ressortchef, bei dem sich die Untergebenen selbständig machten, in der Krise hilf- und autoritätslos. Ein Kapitän des Schulschiffes schlechthin, dem die zweite Rekrutin umkommt und der nicht einmal einen Ansatz sieht, sich und seine Ausbildungsmethoden zu hinterfragen, ebenso. Auch hohe Offiziersränge sind keine Hängematte. Guttenbergs Priorität für den einfachen Soldaten hörte nicht beim vorgesetzten Uniformträger auf. Auch das dürfte zu seiner Popularität inner- wie außerhalb der Truppe beigetragen haben. Und wie kein anderer hat er seine Stellung genutzt, das Augenmerk der Medien und der Menschen auf den Soldaten vor Ort zu richten. Auf einmal wussten die Deutschen, dass eigene jungen Menschen dort im Krieg waren, die einen völlig neuen Stellenwert hatten. Ob es nun Absicht war oder nicht, mit seiner vielbekrittelten Reise mit Gattin nach Afghanistan hat er nicht sich in Szene gesetzt, sondern das Schlaglicht seiner Popularität auf die Soldaten geworfen. Die waren konsequenter Weise auch begeistert und sahen sich keinesfalls missbraucht.
Ein entschlossener Macher, der sich nicht scheut, zu tun, was er für richtig hält, das hat ihm seine Anhängerschaft eingebracht und die Todfeindschaft des politischen Gegners, der ihn zu fürchten lernte. Guttenberg gelang etwas, was kaum ein Unionspolitiker je schaffte, quer in alle Schichten hinein Menschen zu gewinnen, für sich, aber eben gleichzeitig auch für die Union. Und als der verbitterte Möchtegernbildungsbürger mit Blockwartmentalität dann endlich das gefunden hatte, womit man ihn zu Recht zur Strecke bringen konnte, blieb ihm die Anhängerschaft treu, was einzigartig in der bundesdeutschen Politikgeschichte ist. Der konservative Purist rümpft dennoch die Nase, ein Promotionsschummler ginge gar nicht und die Grundsatzthemen hätte er auch nicht besetzt, dabei vergessend, dass der größte und erfolgreichste Konservative, Franz Josef Strauß, auch so seine Schwächen hatte. Natürlich ist Guttenberg nicht der Mann, der Grundsatzprogramme schreibt, er ist der, der für richtig Erkanntes umsetzt. Der Union fehlt zur Zeit beides. Die Konservativen müssen sich fragen lassen, ob sie wirklich glauben, dass der hundertste Aufsatz, warum der Euro nicht zu retten sei, ohne sich Gedanken zu machen, welche Desaster bei Rettungsverzicht drohen könnten, wirklich Wählermassen der Partei zuströmen ließe oder nicht zusätzlich auch der gebraucht wird, der im Zweifel zu seinen besten Zeiten dem Wähler die Drachme als neue europäische Leitwährung hätte verkaufen können.
Auch wenn er zuletzt sogar bewiesen hatte, wie wenig die Masse der Menschen sich für die akademische Eitelkeit der Promotion interessiert, Besinnungspause, Selbstkritik und langsamer Neuaufbau durch politische Leistung in der zweiten und dritten Reihe sind unausweichlich. Auf Dauer auf den Mann seines selbst verschuldeten Desasters wegen verzichten zu wollen, wäre als Dummheit sogar für die Union zu groß.
Er möge an sich arbeiten und wiederkommen.
Ach übrigens, lieber faltenzerfurchter Graukopf, der Du Deinen Lebensweg vom 68er über den Friedenskämpfer im Beamtenverhältnis bis zum Ruherentner, der seinen Enkeln keine modernen Bahnhöfe gönnt und aus alter Gewohnheit ab und an in die Wasserwerfer läuft, hinter dir hast, du wirst es auch ohne Wikiwasweißich erkannt haben, die Überschrift ist natürlich plagiiert, wie es sich für einen solchen Text gehört. Ich fand aber den Urheber nicht schützenswert und habe daher auf die Fußnote verzichtet. Abzügen in der B-Note sehe ich gelassen entgegen.
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