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Waldemars Altarchiv

St. Ansgar, der Schrecken des Netzes

237 Abgeordnete hat die CDU/CSU Bundestagsfraktion und schon rein statistisch ist die Gefahr gegeben, dass der eine oder andere Dr. Seltsam dabei ist. Nein, heute geht es nicht um den Lieblingsabgeordneten Polenz, zumal der uns ja versprochen hat, ab 2013 die Fraktion von sich zu befreien, sondern um einen Gastkommentator des Handelsblattes, der sich zur Karnevalszeit entschlossen hat, die Netzgemeinde, wie er sie nannte, heimzusuchen. Ansgar Heveling ist sein Name, von dem zu fürchten ist, dass er sich weiter durch das Internet verbreiten wird und das noch, bevor er es abgeschafft hat. „Netzgemeinde, ihr werdet den Kampf verlieren“, überschrieb er seinen wortgewaltigen Aufsatz und weiter, um allein in der Überschrift fortzufahren, „liebe Netzgemeinde, das Web 2.0 ist bald Geschichte. Die Revolution der ‚digitalen Maoisten‘ geht vorbei – die Frage ist nur, wie groß die Schäden sind“. Und er versteht was davon, denn er ist immerhin Mitglied der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Wer sich den Spaß macht, das alles zu lesen, wird sich zuallererst fragen, was wollte uns der Ansgar damit sagen, in dem er den Kulturkampf zwischen dem „digital native“ und nichts weniger, als der großen Mehrheit der Menschen propagierte, was fatal an die berühmten 99% erinnert, von digitalen Horden sprach, die die verbrannte Erde der Kultur hinterlassen und die die Werte des Bürgers, die aus der französischen Revolution entstanden wären, nämlich Freiheit, Demokratie und Eigentum (und ich dachte immer, das wären Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gewesen) gefährden. Nein wir wollen hier Schluss machen, es lässt sich nachlesen, genügend Häme wird es noch geben und selbst als Realsatire ist es einfach ganz furchtbar.

Natürlich wird es dadurch nicht besser, das Ansgar Heveling auch schon bis zu Spiegel Online vorgedrungen ist, aber immerhin hilft dies, eine Idee der Richtung der Intention des Autors bekommen zu können, ein schlichter Lobbyist von Musik- und Filmindustrie sei er, damit die samt goldener Nasen sich nicht auf neue Medien einstellen müssten. Auf einmal ist der Kulturkämpfer ganz banal und man versteht sogar, weshalb das Eigentum in die französische Revolution rutschte. Ob besagte Medienindustrien über diese Phillipika allerdings so richtig glücklich sind, darf bezweifelt werden. Also, nur für den Fall, dass die Spiegelinterpretation stimmt, vielleicht fällt dem einen oder anderen doch noch eine andere Exegese ein.

„Abgelegt und schon wieder vergessen“, schrieb jemand wohlmeinend dazu und das bliebe wohl zu hoffen. Denn die ganze Geschichte wäre nämlich viel lustiger, wenn hinter St. Ansgar nicht in jeder Veröffentlichung die Buchstaben CDU stünden. Es gibt die Möglichkeit, aus dem Berliner Wahlergebnis der Piraten zu lernen, dass man etwas in der Selbstdarstellung den jüngeren Menschen und ihrer Lebenswelt gegenüber verkehrt gemacht haben könnte, denn sieht man die Programmatik der Piraten über Netzthemen hinaus an, kann es nicht wirklich an Inhalten gelegen haben und Marina Weisband war zu der Zeit auch noch unbekannt. Andererseits lässt sich auch mit aller Entschiedenheit dafür kämpfen, dass die Union ganze Generationen verliert und die Piraten sich auf Dauer Richtung 30% bewegen, weil diese Wähler die Union allenfalls als Comedy wahrnehmen und sich mit ihrer Politik gar nicht erst auseinandersetzen. Angesichts dessen, was die Piraten wirklich darstellen, wäre das jedoch eher grauenvoll. Und wahrscheinlich wird der Nationalkonservative, der inzwischen überall Verschwörungen wittert, um ihn mundtot zu machen, messerscharf schließen, das Ansgar nur von Mutti vorgeschickt wurde, um die Netzzensur voranzutreiben, auf der linken Seite nennt sich das neudeutsch Medienverantwortung.

Es wird gerade zu Recht beklagt, dass das grüngewandete, technikfeindliche, esoterische Deutschland Forschungsabteilungen großer Unternehmen vertreibt, die diese ins Ausland verlagern, wo sie einfach das bessere Umfeld vorfinden. Eigentlich hat sich die CDU wenigstens im Bereich der Kommunikationstechnologie den alleinigen Ruhm erworben, dies alles, was das heutige digitale Leben ausmacht, erst ermöglicht zu haben, unter Helmut Kohl mit dem visionären Postminister Schwarz-Schilling, der wie kein anderer das Leben der Menschen in diesem Land verändert hat. Ohne die Zulassung privaten Rundfunks- und Fernsehens, sowie die Entmonopolisierung und Zerschlagung der Post, hätten wir im Netzbereich ganze Regulierungsministerien und gewiss keine günstigen Handytarife und billiges schnelles Internet. Die CDU ist die Partei der Netzwelt. Aber das weiß nicht nur heute kein Mensch, wahrscheinlich am wenigsten Ansgar Heveling, sondern angesichts solcher Figuren käme auch niemand im Traum darauf, das zu vermuten.

Was für ein Talent hat diese Partei, sich selber Beine zu stellen.

Über Waldemar Alexander Pabst

Undogmatischen Konservativer. Nazifeind, Antikommunist, entschiedener Gegner jedes religiösen Totalitarismus, Rassismus und nicht zuletzt der Verschwörungstheoretiker. Bekennender Israelfreund und das, was man einmal einen “Atlantiker” nannte. Vertritt uneingeschränkt das Gesellschaftssystem der freien Welt. Blog: https://schwarzoderweiss.wordpress.com/

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