Mit Unglauben, mehr oder weniger mildem Spott, Gleichgültigkeit oder guten Nerven verfolgt die Welt seit einigen Wochen das seltsame Schauspiel, wie einer der letzten echten roten Machthaber täglich den Krieg ankündigt. Dabei überschlagen sich die Experten, immer neue Varianten seiner Motive zum Besten zu geben, zumeist mit dem Gedanken unterlegt, es wäre nur ein Auftakt zum Reformieren, im schlimmsten Falle der Versuch, sich Wohlverhalten zu erpressen oder der verzweifelte Wusch eines Underdogs, Augenhöhe mit den USA herzustellen. Warum in aller Welt sind die Amerikaner auch stur und gönnen sie ihm nicht. Eine absonderliche Kindheit dürfe der Junge doch allemal gehabt haben. Also ist die Exegese seiner Worte höchste Journalistenpflicht, damit wir eines Tages wissen mögen, was er uns mitteilen wollte. Auf Demonstrationen verzichtet der hiesige Friedensbewegte, der sonst beim Anblick eines durchschnittlichen Kernkraftwerks in Panik ausbricht, SS-Greise dichten nicht, die Tinte ist verbraucht und von diesen Ärzten gegen den Atomkrieg hört man auch nichts. Der Kim kann ja unmöglich meinen was er sagt. Einfach mit Atomraketen schießen, tut er doch nicht, wäre doch irrational.
Wahrscheinlich ist es auch so, zu hoffen wäre es. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass Herr Kim vielleicht gar nicht rational denken könnte, die aber soll hier gar nicht in Betracht gezogen werden. Viel spannender ist die Frage, handelte er aus seiner Sicht des Bösen wirklich irrational, sollte man ihn beim Wort nehmen. Ein Chinese, der sich mit Nordkorea befasst, war nun der erste, der sich erlaubte darauf hinzuweisen, den Nordkoreanern könnte es ernst sein. Er bezog sich dabei auf den systematischen Aufbau einer jede Relation zur Bevölkerung sprengenden, das Land auszehrenden Armee, die konsequente Arbeit an der Bombe, die Überzeugung, damit unangreifbar zu werden und die deutlichen Worten zur gewaltsamen Wiedervereinigung Koreas. So schwer vorstellbar das ist, dass dies Logik hat, ist nicht zu bestreiten. Selbst wenn es sein kann, dass hier China den Westen ein wenig erschrecken wollte, um die eigene Bedeutung für Stabilität der Region zu unterstreichen.
Viel spricht dafür, dass die Menschen Nordkoreas zum Teil in einem Maße arm sind, das alle uns bekannten Elendsregionen der Welt übertrifft. Ein Staat als Mischung aus Hunger und Terror. Sein einziges Kapital ist die Armee mit ihrer inzwischen wohl tatsächlich funktionierenden Bombe. Unterstellte man, die neue Führung wäre angetreten, das Land zu reformieren, dann hat sie im wesentlichen zwei Optionen. Die erste ist die, die wir für die Einzige halten. Wirtschaftsreformen, Sonderwirtschaftszonen, Billigproduzent werden, zu versuchen, den chinesischen Weg nach Mao zu gehen. Anfangs erweckte Kim auch den Eindruck, dass er dies in Erwägung zöge, es ist die Grundlage all jener Theorien, seine Kriegsrederei wäre der Versuch, sich zum starken Mann zu machen, um genau das hinterher durchführen zu können.
Allein dieser Weg ist nachteilig für die Führungsschicht und den Diktator selber. Nordkorea wäre zweifellos nicht auf Augenhöhe, nicht einmal dem Süden gegenüber, der in erheblicher Weise an einem solchen Reformprogramm beteiligt wäre. Nordkorea ist auch nicht China, wie abgeschlossen auch immer es sein mag, der Süden als Ziel der Sehnsüchte der Menschen ist vorhanden, eine Reform bedeutet immer Öffnung und damit eine Gefährdung der Kimdiktatur. Beide Koreas dürften sich das Deutschland im Jahre 1989 genau angesehen haben und um die Eigendynamiken von Öffnungsprozessen wissen. Ob das Elend im Lande überhaupt in absehbarer Zeit sanierbar ist, ob nicht bei einer Öffnung es zu unkontrollierten Fluchtwellen käme, niemand weiß es. Wir haben uns angewöhnt, im Falle einer solchen Entwicklung Kim Jong Un als den letzten Kim zu sehen, die Demokratisierung des Landes in einem langwierigen Wiedervereinigungsprozess in Freiheit zu erwarten. Merkwürdigerweise fehlt derartigen Spekulationen immer die Fragestellung, ob Herrn Kim das auch begeistern würde.
Tatsächlich kann er auch auf eine ganz andere Idee kommen. Sanierung durch Raub gewissermaßen. Ideologisch begründet als Wiedervereinigung Koreas. Die Chancen, dass seine Armee durch ihre schiere Größe den Gegner überrennen könnte, dürften sich seine Generalität ausgerechnet haben. Die Versorgung wäre problemlos aus dem eroberten Süden möglich. Naiv, wer glaubte, unvorstellbare Menschenverluste würde dieses Regime beeindrucken können. Mit der Bombe, so die Spekulation, ließen sich die USA in Schach halten, zumal die unter Obama ohnehin auf dem Rückzug gesehen werden. Stellen wir uns doch einmal die Frage, ob der Westen bereit wäre, im Jahre 2013 noch einmal einen großen Koreakrieg zu führen. Keine Interventionen im Irak oder Afghanistan, sondern einen Koreakrieg! Zwar ohne sowjetische oder chinesische Truppen, dafür aber mit Atomraketen, wo und wie erfolgreich auch immer diese eingesetzt werden könnten. Seien wir sicher, die Friedensbewegung würde erwachen. An dem Tag, an dem Kim los schlägt und ihre Losung wäre, keine Beteiligung! Beteiligung nämlich hieße die Inkaufnahme echter eigener Kriegsverluste und die Bereitschaft, dass auch die USA atomare Waffen einsetzte. Selbst ein in Trümmern liegender Süden dürfte Kim als Einnahmequelle reichen, seine dringendsten Probleme zu lösen. Abgesehen davon, dass in der zynischen Logik dieses Regimes jeder Kriegstote ein Esser weniger wäre.
Raubkrieg als ökonomische Sanierung ist nicht vorstellbar, gab es bestenfalls in der Antike? Es ist gar nicht lang her, dass genau in diesem Land der Unmensch mitten in Europa das Konzept verwirklichen wollte. Er machte es nur etwas komplizierter. Er finanzierte einen Wirtschaftsaufschwung mit selbst im 2013 unvorstellbarer Staatsverschuldung auf Wechselbasis, bezahlte damit eine gewaltige Aufrüstung, womit er die Wirtschaft in allen Bereichen ankurbelte, gedachte die Armee gewinnbringend einzusetzen und alles mit den Staatsschätzen eroberter Länder und dem Vermögen ermordeter Juden zu bezahlen. Da heute niemand Kim Kredite gibt, schon gar nicht auf Wechselbasis, könnte sein Vorgehen das Direkte sein. Rationalität ist relativ, sie bemisst sich an der aktuellen Lage und den Alternativen. Die Lage Nordkoreas ist möglicherweise für den deutschen Wohlstandbürger nicht mehr nachvollziehbar fürchterlich. Die Alternativen des Regimes sind oben dargestellt.
Es bleiben Wunsch und Glaube, dass all unsere schwätzenden Experten in den Medien Recht behalten. Aber ein Tickchen den dicken Herrn Kim Ernst nehmen, sich auf die Eventualität von Krieg zur Verteidigung Südkoreas und unserer Werte einstellen, dies Nordkorea demonstrieren, sollte man dennoch. Und vor allem daraus lernen, dass das Zusehen, wie ein von blutrünstigen Verbrechern regierter Staat Atombomben entwickelt, bis er sie hat, der schlimmste Fehler war, den die freie Welt in diesem Fall gemacht hat. Der Iran bastelt noch.
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