Als ich von der Aktion hörte, Erde von dort, wo Überreste von Ermordeten der Shoah vergraben wurden, in Berlin auszustellen, hörte, nachdem Menschen, deren Herzenskälte Erfrierungen hervorrufen muss, sie heimlich mit dem Spaten ausgruben und in Behälter füllten, versagte meine Fähigkeit, darüber zu schreiben.
Je mehr ich darüber aber nachdachte, bekam ich Bilder nicht aus dem Kopf, Bilder, in denen Menschen in den Toten wühlten, die sich mit der Erde verbunden hatten. Bilder, die sich mischten mit der Ahnung davon, auf welch im Wortsinne unvorstellbare bestialische Weise der Mord stattgefunden hatte. Bilder und Gefühle, die sich in einen Aufschrei fassen ließen.
Natürlich hoffte und hoffe ich, dass es sich bei dieser widerwärtigen Aktion des selbsternannten Zentrums für Politische Schönheit um ein Fake handelt, auch wenn das die Dreistigkeit dieser Persönlichkeitsgestörten nicht geringer machte.
Wenn es echt wäre, so wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich nur gering um Bodenproben aus Auschwitz handelte, dort ist eine große, viel besuchte Gedenkstätte, jedoch wäre es in Belzec, Sobibor oder Treblinka möglich, jenen drei Todeslagern am Bug, in denen mehr Menschen starben als in Auschwitz, auf eine Art und Weise, deren Entsetzlichkeit nicht einmal beschreibbar ist.
Jeden Tag wurden zwischen 1942 und 1943 Tausende dorthin transportiert, aus den Zügen geprügelt, gezwungen sich in einer Auskleidebaracke auszuziehen, danach wurden die Haare geschoren, auf einen engen, hochumzäunten Weg getrieben, der keine Richtungsänderung mehr zuließ, zu den kleinen Gebäuden, in denen man die Gaskammern eingerichtet hatte, nicht größer als 15qm, wo die eng hinein gedrückten Opfer mit den Abgasen eines russischen Panzer- oder U-Boot Motors erstickt wurden. Nicht mehr als 20 bis 30 deutscher Mörder bedurfte es, sie wurden von knapp 150 sog. Trawnikis unterstützt, ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen, aus den Hungerlagern rekrutiert, die die Bewachungsaufgaben übernahmen.
500 immer wieder dezimierte und ersetzte Gefangene mussten die Ermordeten begraben, später wieder ausgraben, verbrennen, ihre Habe sortieren, waschen, reparieren, die Köpfe scheren, die Nichtgehfähigen zu einem Lazarett genannten Graben bringen, wo sie erschossen wurden, die Zähne der Vergasten herausbrechen.
Die deutschen Ungeheurer hatten sich einen Vorgang erdacht, bei dem trotz beschwichtigender Rede am Anfang die Opfer schon schnell wenig Zweifel an ihrem Schicksal hatten und mit viehischer Brutalität in die Todeskammern getrieben wurden, der Tötungsvorgang dauerte 20 Minuten und länger. Niemand möge glauben, er könne sich die Realität hinter dieser Beschreibung vorstellen.
Männer, Frauen und Kinder, kleine Kinder, erbarmungslos erstickt, erst vergraben, als die Verwesung die riesigen Massengräber durch Fäulnisgase aufbrechen ließ, mussten die Sklaven, die man aus den neuen Transporten aussortierte, die wesenden Leichen wieder ausgraben, auch die kleinen Kinderleichen und auf aufgeschichteten Eisenbahnschwellen verbrennen. Die Reste wurden eingestampft und untergewühlt.
Chelmno wäre ebenso zu erwähnen, auch dort ist es nicht schwierig, an Erde zu gelangen. Das Morden in Chelmno war mindestens dem Grauen der Lager am Bug vergleichbar.
Chelmno wurde für das Ghetto von Lodz gebaut, um die zu töten, die schwach waren. Die Alten, die Kranken und Schwachen, die Mütter mit kleinen Kindern, die Waisen, die zwischen 11 und 13, sie wurden mit Bahn oder Lastwagen von Lodz etwa 60 km nach Chelmno in ein leerstehendes Gutshaus, das Schloss genannt, verbracht, mussten sich dort entkleiden, wurden dann nackt über eine Laderampe wie Ware in einem Lagerhaus in die Gaslastwagen buchstäblich gestopft, die dann losfuhren und ihre Abgase ins Innere leiteten.
Der Todeskampf war lang und entsetzlich, die Aussagen der Mörder über das Aussehen der Toten beim Entladen sprechen für sich. Einige Kilometer von Chelmno entfernt wurden sie in einem einsamen Wald von jüdischen Sklaven vergraben, die alle schließlich durch die Hand deutschen Mörder starben.
Ich sehe diese Erde vor mir, bei der ich noch nie war und deren Orte ich in diesem Leben einmal sehen muss, weil ich sonst in ihnen für immer gefangen bin und ich stelle sie mir vor in diesen billigen Propagandapäckchen aus kleinen Kinderleichen und ich könnte schreien und brüllen.
Selten hat etwas mehr mein Innerstes aufgewühlt. Und ja, ich empfinde Hass auf diese Verantwortlichen. Und nein, dies ist kein überdachter Text, dazu bin ich nicht fähig.
Bindet sie an einen Stuhl und zwingt sie, sich dies anzusehen, den Bericht von Abraham Bemba aus Lanzmanns Shoah.
Lesehinweis > Zur Ermordung des polnischen Judentums schrieb ich im letzten Jahr Griff in die Geschichte: Aktion Erntefest
so sehr ich dein engagement gegen nazis schätze: die sache ist schon ein bißchen komplexer
ich lasse dir mal das
Kontrovers: das Zentrum für politische Schönheit und seine Aktionen (Vahland, Kia; Nehls, Anja)
da. ich denke, daß das, was erreicht werden sollte, erreicht wurde: die diskussion über das vergessen. daß die sich jetzt auf ablenkende aspekte kapriziert, ist nichts, was ich dem ZPS vorwerfen würde. die machen nur „die drecksarbeit“ und ich bin froh, daß die überhaupt jemand macht.
oh, ist der link verloren gegangen?
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