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Waldemar

Die Sache mit der Fahne

Damals, zwar wesentlich nach den Ardennen, aber doch in eisgrauen Vorzeiten, als ich noch zur Schule ging und man dort einen Geschichtsunterricht hatte, der sich mit historischen Abläufen beschäftigte, konnte man lernen, dass es zur Weimarer Zeit einen Fahnenstreit gegeben hätte, ob das deutsche Tuch nun Schwarz-Weiß-Rot oder eben Schwarz-Rot-Gold zu sein hätte. Was Adolf der Einzigartige auf seine Weise durch die Kreation der Hakenkreuzfahne löste. Dies im Jahre des Herrn 2012 wieder hervor zu kramen, hätte mehr zu Karneval als zu Weihnachten gepasst, was aber die Junge Union Münster nicht an einem Foto hinderte, das beide Fahnen nun zur trauten Einheit gebracht samt Junger Union und deren Emblem im Internet bei Facebook zeigte. So weit, so überflüssig, so undurchdacht, so uninteressant.

FahnenanachronismusWeil jeder sich im Netz gern so lächerlich macht, wie er kann, ließ der Shitstrom nicht auf sich warten, der ebenso bildungsferne Nazivergleich natürlich auch nicht und Gutmensch Polenz hatte die großartige Gelegenheit seinem Nachwuchs doch eine Europafahne als Hintergrund ans Herz zu legen, was zu Eurozeiten nicht minder anachronistisch ist. Nun war das auch gar keine richtige Kaiserfahne, sondern die der Verbindung, wo man feierte, worüber man auch geteilter Meinung sein kann oder auch nicht, nur dass das Verbindungssymbol auf dieser Aufnahme nicht sichtbar war. Ein Schelm, wer eine Absicht dahinter sieht. Ist auch egal.

Innehalten lässt dieser gänzlich unwichtige und nicht verbotene Vorgang, weil unabhängig vom Anlass und seinem Motiv grundsätzliche Gedanken dazu einfallen, denen man sich zum Jahresende gern hingibt. Man kann das Bild dahin gehend interpretieren, dass schwarz-weiss-rot zur geistigen Tradition des heutigen Deutschland, wahlweise auch der CDU oder des Konservativen gehörte. Ob die Münsteraner dies dachten, sei dahingestellt, die Denke als solche lässt sich nicht selten in konservativen Kreisen nachlesen. Sie harrt der Auseinandersetzung.

Die Fahne steht für den deutschen Nationalstaat als autoritären Staat unter preußischer Führung, die bewusste Abkehr vom Entwurf der Demokratie, der Paulskirche, der Aufstände von 1848. Diese Gründungsbelastung allein lässt sie noch nicht den falschen Weg repräsentieren. Denn das Reich, das 1871 entstand, hätte auch die Richtung in eine deutsche Moderne nehmen können, die die preußische Herkunft mit den Ideen der Freiheit vereinte, was dem Preußentum keineswegs fremd gewesen wäre. Doch die Bilanz war reines Obrigkeitsdenken ohne Weiterentwicklung oder gar Vision, Hybris und Versagen. War es Bismarcks große Leistung, das neuerstandene Deutschland im europäischen Machtgefüge zu verankern, blieben die Werte von Freiheit und Gleichheit seinem Denken derart fremd, dass er sich nie ihnen öffnen konnte. Natürlich ist es hypothetisch reizvoll, sich vorzustellen, Friedrich III. wäre nicht dem Krebs erlegen, sondern hätte das Reich entwickelt und Schwarz-Weiß-Rot in eine Zukunft geführt. Vielleicht wäre dies Deutschlands große Chance gewesen, das folgende Jahrhundert als europäische Großmacht erfolgreich mit zu gestalten, statt am Ende zum Verhängnis eines ganzen Kontinents zu werden. Es bleibt Hypothese ohne praktischen Wert, der Tod des Kaisers nach 99 Tagen war der tragische Beginn von Preußens Ende. Denn was folgte war der militaristische Karikaturstaat, der die preußische Tradition auf die Kadettenanstalt reduzierte, in atemberaubendem Tempo Bismarcks europäische Ordnung verspielte, ein konzeptionsloser nationalistischer Expansionismus des sich zu kurz gekommen Fühlenden, die eigenen Kräfte maßlos überschätzend, mit der Lust, sich eine gewaltige Flotte als Spielzeug zuzulegen, ohne durch Blick auf die Landkarte zu erkennen, dass diese, kohlebefeuert, von deutschen Häfen aus gar nicht sinnvoll einsetzbar war.

Gescheitert im Grauen der Schützengräben, von einer geistig unbeweglichen Generalität geführt, deren Talent sich offenbar nur auf  Paraden und Kaisermanöver mit Damenbegleitung beschränkte, die in einer durch und durch militarisierten Gesellschaft nicht ein einziges Mal vor dem Krieg die Wirkungsmöglichkeiten der eigenen Waffen erfasste, stattdessen an den Schulen die Sedanschlacht bis zum Erbrechen nachspielte und im Kriege strategisch ideenlos die anfangs kriegsbegeisterte Jugend verheizte.

Den eigenen Ehrbegriff missachtend verabschiedete sich die OHL mit einer die deutsche Zukunft vergiftenden Lüge, um die eigene Schwäche zu überdecken. Verloren Hindenburg und Ludendorff die Nerven, gaben den Krieg vorzeitig verloren, machten Verhandlungen unmöglich, schoben den Zivilisten die Verantwortung für die von ihnen panisch geforderte Defactokapitulation zu, erfanden sie im Anschluss zum eigenen Nachruhm die Dolchstoßlegende. Die Marine hingegen, das schwarz-weiß-rote Hätschelkind, lag außer einer Schlacht, die genau ihre an der Geographie festzumachende Schwäche verdeutlichte, in den Häfen, schikanierte ihre Matrosen, bot ihnen den sinnlosen Kamikazetod vor dem Waffenstillstand an und wunderte sich, dass sie damit das wankende Reich endgültig in die Revolution trieb. Nach einem vielversprechenden Beginn, erwies sich die ganze Geschichte des kaiserlichen Reiches nach Bismarck als planloses Taumeln ins Desaster. Seine Fahne musste für den beispiellosen Dilettantismus ihrer führenden Schichten herhalten, mit dem sie ihr Reich in den Zusammenbruch und ihre Menschen in millionenfachen Tod führten, ohne dafür die Verantwortung zu übernehmen.

Der blutige Beginn der Republik eröffnete die letzte Chance auf ein erneuertes preußisches Deutschland. Schlugen die Militärs als Träger des preußisch-monarchistischen Geistes gemeinsam mit Sozialdemokraten und bürgerlichen Demokraten die bolschewistischen Revolutionsversuche nieder und bewahrten Deutschland vor dem russischen Schicksal, ergriffen sie nicht die Möglichkeit zusammen mit den Verbündeten des antibolschewistischen Kampfes in eine neue Zeit aufzubrechen, sondern verweigerten sich hernach doch nur dem überfälligen Schritt in eine preußische Demokratie, mit der sie nichts anzufangen wussten und betrieben die Spaltung des Volkes. Die Eliten blieben dem autoritären Ständestaat verhaftet, verachteten die freiheitliche Gesellschaft, bekämpften sie ohne eine wirkliche Alternative anzubieten zu haben. Dem alten deutschen Konservatismus fehlte ein Reagan, der überkommene Werte mit dem Geist der Freiheit zu verbinden vermochte. Hier liegt das zweite, schon tödliche Versagen, das sich diesmal auch mein Namenspatron zurechnen lassen muss.

Preußens Ende war nicht der Kontrollratsbeschluss vom 25. Februar 1947, nicht einmal der 20. Juli 1944. Preußen starb an zwei Tagen, dem Staatsstreich vom 20. Juli 1932, mit dem sich die angeblichen wahren Preußen von der Rechtlichkeit, die seit Friedrichs II. Zeiten zu seinen herausragenden Merkmalen zählte, verabschiedeten und dem 30.Juni 1934, als die Reichswehrführung, nunmehr der potentiell einzige Bewahrer der alten Werte, um des Scheinvorteils beim Eintritt in den nationalsozialistischen Verbrecherstaat willen, den Mord als staatliches Handeln aktiv unterstützte und die Tötung missliebiger Konservativer, sogar Offiziere als Kollateralschaden schulterzuckend hinnahm. Wie die überwältigende Mehrheit aller, die so viel zuvor auf das Schwarz-Weiß-Rot gehalten hatten, ging auch sie in voller Freiwilligkeit im Reich des Hakenkreuzes auf, sich ohne Not im Fortgang an allen Verbrechen beteiligend. Die wenigen Hellsichtigen, die Osters, Dohnanys und Gisevius erkannten es von Anfang an, ohne seinerzeit mehr, als dokumentieren zu können. Mochten die Staatsstreichversuche bis zum 20. Juli das letzte Zucken sein, die dort Beteiligten blieben immer verschwindende Minderheit. Das schwarz-weiß-rote Banner vermodert deshalb auf dem Müllhaufen der Geschichte, weil seine Exponenten blind, dumm und bedenkenlos dort hinein gesprungen sind.

Den Überlebenden des Preußentums, den wenigen, die sich zum Widerstand entschlossen hatten, denen, die sich mehr oder weniger schmutzig gemacht hatten, wie jenen, auf die beides zutraf, war klar, dass etwas Neues entstehen musste, dass alles Überkommene vernichtet war, der Einschnitt so tief wie nie zuvor in der Geschichte. Auf die Idee eines Flaggenstreites kam niemand mehr. Wen dies in die CDU führte, der nahm an der Begründung einer neuen Tradition teil. Deutschland als Teil der Freien Welt. Diese Tradition der CDU, der neuen Bundesrepublik, ist Adenauers Westbindung, ist das Vereinen der allgemein akzeptierten Demokratie, der Freiheit, der Marktwirtschaft, des Rechtsstaates mit den Werten der Familie, der Gerechtigkeit, auch der angeblich deutschen Tugenden von Pünktlichkeit, Disziplin und Ordnung. Dies gelebte Bild der westlichen Demokratie mit dem ökonomischen Erfolg führte zum Sieg im Kalten Krieg.

Die Werte des Westens zu bewahren in einer Zeit der Werterelativierer, Genderschwachmanen, Neosozialisten, der Idee einer sanften europäischen Bürokratendiktatur, der Klimaideologen, mit ihrer Lust an der Abschaffung der Freiheit, der Verschwörungstheoretiker und der anmaßenden Ansprüche totalitär denkender Religiöser, das ist die Aufgabe des heutigen Konservativen!

Wer hingegen nach dem Deutschtum der guten alten Kaiserzeit sucht, verweigert sich der traurigen historischen Wahrheit, bestenfalls mag er als Opfer der 68er Bildungsreformen nur geschichtslos geworden sein. Schwarz-Weiß-Rot ist tot. Mausetot. Es kann dem heutigen Konservativen nur als abschreckendes Beispiel dafür dienen, wie man alle Grundsätze, Möglichkeiten und Ehre selbst zerstören kann.

In diesem Sinne

Frohe Weihnachten!

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Auch veröffentlicht bei cdu-politik.de

Über Waldemar Alexander Pabst

Undogmatischen Konservativer. Nazifeind, Antikommunist, entschiedener Gegner jedes religiösen Totalitarismus, Rassismus und nicht zuletzt der Verschwörungstheoretiker. Bekennender Israelfreund und das, was man einmal einen “Atlantiker” nannte. Vertritt uneingeschränkt das Gesellschaftssystem der freien Welt. Blog: https://schwarzoderweiss.wordpress.com/

Diskussionen

4 Gedanken zu “Die Sache mit der Fahne

  1. „geschichtslos geworden“ beschreibt die gegenwärtige Entwicklung gut. Die Gründe sind, mehr als nur ein paar vermurkste Bildungsreformen, vielfältig und nicht allein typisch deutsch, sondern vielleicht mehr oder weniger global wirksam. Das ist durchaus gruselig aber wohl auch unaufhaltbar.

    Verfasst von yoyojon | 21. Dezember 2012, 19:56
  2. Herr Pabst, Ihr Urteil über das Kaiserreich ist eher den moralischen und intellektuellen Werten der Vorortverträge geschuldet als der historischen Wirklichkeit. So schlimm, wie sie sie machen, war das Kaiserreich nicht. Machen Sie sich doch die Mühe, vergleichen Sie, wer vor dem Weltkrieg in Deutschland, in Frankreich, in England wahlberechtigt war – aber Vorsicht: Ihre Vorurteile könnten Schaden nehmen.
    Was die Verantwortungslosigkeit der militärischen Führung betrifft: haben Sie den Namen Haig schon einmal gehört? Merke: daß andere genausoschlimm oder gar schlimmer waren oder sind, ist keine Entschuldigung – aber wohlfeile Urteile sollten Sie sich bitte sparen.

    Verfasst von Tjalf Boris Prößdorf | 4. Januar 2013, 17:05
  3. Es ist die Fahne der Burschenschaft und nicht des Kaisers.Auch würde ich Tjalf zustimmen.Vergleichen sie doch mal mit anderen zu dieser Zeit.

    der Krankenversicherung (1883),
    der Unfallversicherung (1884) sowie
    der Invaliditäts- und Altersversicherung (1889)

    wo gabs das denn noch???

    Verfasst von thomas | 5. Januar 2013, 05:31
  4. @tjalf
    @thomas

    Relativieren, relativeren bis sich die Balken biegen…

    Auch wenn die Fahne vom Tischtennisklub wäre, so erschien das Ensemble nicht weniger fragwürdig in der Symbolik.

    Natürlich sind Verbindungen ja auch völlig unkritisch zu betrachten und ein Hort kosmopolitischer Weltanschauung…nicht wahr? Und ja, die Sozialversicherungen wurden natürlich aus reiner Menschenfreundlichkeit eingeführt?

    Arm, arm, arm

    Verfasst von Nazienkel | 18. März 2014, 16:29

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