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Waldemar

Der Vorsitzende und seine Jüdin – eine deutsche Geschichte

Ihren Lieblingsabgeordneten nennt sie ihn schon lange nicht mehr; Jennifer Nathalie Pyka, brillante Bloggerin und Kolumnistin, den Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses Ruprecht Polenz. Was als bissig ironische Begleitung seiner mit westlichen Grundsätzen schwer zu vereinbarenden Politik begann, eskalierte im Dezember, der eine oder andere wird es erinnern, als besagter Polenz den Startschuss zur Kampagne gegen die lästige junge Dame gab. Worum es da eigentlich vordergründig ging, war so unbedeutend und schwer zu vermitteln, dass der Verdacht nahe liegt, dass es auch gar nicht verstanden werden sollte. Die bloße Nachfrage, warum ein Spendensammelverein ein Jahr nach seiner Gründung weder eingetragen noch gemeinnützig war allein, kann es nicht wirklich gewesen, der Jurist Polenz könnte mit etwas Anstrengung erkennen, dass darin nicht einmal zwischen den Zeilen ein Veruntreuungsvorwurf lag und schon gar kein virtueller Rufmord (zumal der Verdacht sich noch als richtig erwies), wie es sich Polenz zu eigen machte, als er den linksradikalen Blogger Klaus Kufner verlinkte, der, bis zu seiner Enttarnung als nach Rügen geflüchtete (wo er flugs für die umbenannte SED kandidierte) völlig irre Schreckensfigur der österreichischen Politszene, das Wohlwollen des christdemokratischen Ausschussvorsitzenden genießen durfte.

Derlei Merkwürdigkeiten weckten Neugier und jeder Schritt voran erst recht, begann sich nun um einen Funktionär der eigenen Partei ein so skurriler Abgrund auf zu tun, dass die eigene Fantasie nie mit der Realität mitzuhalten in der Lage war. Schon der Blick auf Polenz Pinnwand genügt, um als Christdemokrat irritiert zur Kenntnis zu nehmen, dass hier ein führender Abgeordneter nicht nur sein politisches Leben nach Facebook verlagert hat, sondern auch, dass seine mitschreibenden Fans vorzugsweise im Umkreis der umbenannten SED zu finden sind, sich linksgrün verorten oder zur weiten Community türkischer, arabischer oder sonstwie islamischer Provenience gehören und jeden, der zum Islam kritische Fragen stellt, sofort als Nazi brandmarken. CDU stellt man sich nach 35 Jahren Mitgliedschaft immer noch anders vor und, dass eine eher konservative Bloggerin in diesem Umfeld nicht begeistert aufgenommen wurde, begann nachvollziehbar zu werden. Das Ausmaß des Hasses allerdings, der ihr entgegenschlug, konnte ebenso in keinem Verhältnis zur piecksig treffenden Frage nach der Rechtsform eine Spendensammelverein stehen, wie die persönliche Beteiligung von Polenz am untauglichen Versuch, sie mundtot, ja, ihr den Berufseinstieg unmöglich zu machen. Sie musste in ein Wespennest gestochen haben.

Nun hat Polenz eine Obsession. Er ist zwar als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses für die ganze Welt zuständig, aber die Hälfte seiner Zeit scheint er einem Flecken, nicht größer als Hessen, am östlichen Ende des Mittelmeeres zu widmen. Israel. Sich selber als einen großen Freund dieses Landes bezeichnend, lebt er dies vorzugsweise dadurch aus, Israels Innen- wie Außenpolitik ablehnend zu kritisieren, was zu Beifallsstürmen seines Fanclubs führt und daher ist es gar nicht überraschend, dass das Objekt des Spendensammelns ein Kindergarten war, in dem vermutlich 12 bis 15 Kinder aus jüdischen und Beduinenfamilien gemeinsam nach den Grundsätzen des Rassisten und Antisemiten Rudolf Steiner betreut werden. Nicht grundlegend neu und Beduinen leben seit jeher integriert in Israel, es ist nicht unbedingt das Projekt, das die Welt des Nahen Ostens ändern wird. Aber es versteht sich so, lässt sich von George Soros finanzieren, dessen dafür zuständige NGO eine antizionistische, linksradikale Agenda verfolgt. Und ein Herzensprojekt von Ruprecht Polenz. Judenknacks nennt Henryk M. Broder das, jeder Deutsche kompensiert ihn auf seine Weise und die Variante die Ermordeten der Nazis stets zu beklagen, dafür aber sich die Last damit zu verringern, den Juden von heute vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten hätten und bezügliche der Besatzungspolitik schon mal geschmacklose Nazivergleiche zu bemühen (was Politiker Polenz natürlich vermeidet, seine Fans bei Facebook dafür umso heftiger unter seine Postings schreiben), ist die am weitesten verbreitete Variante, heute fast Grundkonsens der deutschen Linken.

Gegen solche Widerlichkeiten sturmlaufende Israelfreunde kontert man am perfektesten mit Vorzeigejuden, die die eigene Position vertreten. Etwa, wie früher jeder anständige Antisemit seinen jüdischen Bekannten hatte. Davon gibt es durchaus einige, Polenz aber hatte eine sehr besondere, immer bei dieser Thematik an seiner Seite, aggressivst argumentierend – Irena Wachendorff, selbsternannte Lyrikerin und Vorsitzende jenes Spendensammelvereins. Mit atemberaubender Familiengeschichte, von der Kinderverschickung des so überlebenden Vaters nach England, über den Kreisauer Kreis, der die Mutter versteckte, Auschwitz und die Befreiung der halbverungerten 15jährigen Mutter durch die Rote Armee, dem Wiederaufbau antizionististischem jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutschland mit Bundesverdienstkreuz durch den Vater als gelehrtem Berater von Rabbinern, dem Libanonkrieg, an dem die junge Irena teilnahm, ihrer Erleuchtung durch den Stopp der Gazapropagandaflotte, Geigenlieferungen an arme Palästinenserkinder, Familie Wachendorff als Forrest Gump deutschjüdischer Geschichte, die fehlte Polenz wirklich in seiner Sammlung. Eine echte Symbiose. Wer engstens mit dieser Jüdin Projekte in Israel aufbaute, konnte niemals antisemitische Neigungen haben, nicht einmal einen Judenknacks und der Spendenverein für den Miniaturkindergarten der Frau Wachendorff rückte in den Mittelpunkt der Weltpolitik, das schmeichelte ihrem übersteigerten Geltungsdrang. Da fiel es erst nicht auf, dass die Dame in Diskussionen deutlich machte, nicht wirklich viel vom Judentum zu verstehen, sich dabei hinter ihrem Übervater versteckte, den sie gleich neben zwei bedeutende jüdische Philosophen stellte, dafür aber umso mehr die eigentliche Mission deutlich machte, gegen den Zionismus zu argumentieren und damit die Grundlage des Staates Israel zu delegitimieren, Es passte in Polenz Weltbild, genau so, wie Interviews in SED Magazinen, in denen sie noch deutlicher wurde, in seinem Umfeld Normalität sind. Bei dieser engen Beziehung allerdings wurde nun etwas klarer, warum die Reaktion auf die kritische Anfrage vom Frl. Pyka diese Formen an nahm. Ganz begreiflich aber wird es erst mit einem zusätzlichen Detail. Denn mit den Diskussionen begannen Zweifel an der jüdischen Biografie der Frau Wachendorff, Fragen zu ihren angeblichen Lebensdetails konnte sie keine beantworten, Polenz allerdings hatte seine eigene Methode damit umzugehen, er sperrte einfach jeden von weiteren Debatten aus, der nur das Thema anschnitt. Seine Herzensjüdin eröffnete derweil hemmungslos in Niederzissen eine Gedenksynagoge für die Shoaopfer und klärte am Gymnasium Kalvarienberg gleich eine ganze Schulklasse über den Judenmord im allgemeinen und ihre Familiengeschichte im besonderen auf, stets wohlwollend vom Ausschussvorsitzenden begleitet. Der unterstütze sie laustark dabei, auf den Vorwurf, eine „Kostümjüdin“ zu sein, welch geniale Wortschöpfung, tatsächliche Nachfahren Überlebender mit Klagen zu überziehen.

Sechs Monate recherchierte Jennifer Nathalie Pyka, dann präsentierte sie ihre unglaubliche Geschichte aus Deutschland. Kostümjuden gibt es wirklich, die ganze Biografie eine einzige Lüge. Der philosophisch Rabbiner beratende Vater in Wahrheit ein Wehrmachtssoldat, laut Nachruf sogar am Ende Offizier, die Teilnahme am Libanonkrieg schlicht ausgedacht, die Mutter definitiv nie in Auschwitz gewesen, dass diese jüdisch wäre, hat Frau Wachendorff auch hernach nicht wieder behauptet, die Gemeinde, in der sie angeblich Vorbeterin ist, hat sie nie gesehen, nur den Gemeindebrief vor ein paar Jahren abonniert. Grusical nannte Jenny Pyka das und es ist ein abgründiger Blick ins Seelenleben. Hat man sich nach diesem Bericht, an den sich diverse Ergänzungen, stammelnde Konfrontationen mit der Wahrheit und Salamigeständnisse von Frau Wachendorff anschlossen, wieder gefangen, gewinnt man mehr als eine Erkenntnis. Sicher ist es schon pathologische Form von Judenknacks, wenn man aus dem Erbe der Geschichte einfach dadurch aussteigt, aus der eigenen Familie Opfernachfahren zu machen. Man hüpft auf die anderen Seite, hat keine Seelenlast, bekommt Bewunderung, Mitleid, Vortragseinladungen, traumhaft. Es ließe sich unter „psychische Störung“ abtun, strafbar ist diese Form der Hochstapelei nicht, repräsentierte nicht jene Irena Wachendorff mit dem elegischen Leidensblick und dem eingesparten Friseur auf ihre Art das deutsche Böse. Dazu gehört schon vordergründig die Schlechtigkeit, der Tarnung der eigenen Lebenslüge willen, eine Kampagne loszutreten, um einer gefährlich werdenden Kritikerin die Zukunft unmöglich zu machen, doch tiefer offenbart sich eine menschliche Kälte, die erschrecken muss. Die Kälte gegenüber den Ermordeten der Shoa, die sie wortreich mt Phrasenlyrik betrauerte, doch nur benutzte, sich selber in Szene zu setzen und auf eine Ebene mit ihnen zu gelangen, die sie verhöhnte, als sie, als angebliches Opferkind, in deren Familie Auschwitz immer präsent gewesen wäre, auf Gedenkveranstaltungen sprach und deren Andenken sie mit Füßen trat, wenn sie vor Schülern über die Shoa vortrug und diese hinterher erkennen mußten, das, was diese Frau über die eigene Familie erzählt hatte, war nichts als Lügenfantasie, wer will ihnen eigentlich danach glaubwürdig erkären, dass die wirkliche Shoa Wahrheit ist? Und hinter diesen erfundenen Eltern verschanzt, frei vom deutschem Erbe war sie als Zionismuskritikerin frei darin, die Legitimität des Staates der Juden in Frage zu stellen und auf Palästinenserdemonstrationen die Alibijüdin zu machen. Das Judentum als Mittelpunkt einer erfundenen Existenz bei gleichzeitigem Kampf gegen heutige Juden, was ist das anderes, als eine sehr kreative Form von Judenhass. In seinem nächsten Buch könnte Henryk M. Border diesem Phänomen deutscher Psyche mindestens ein Kapitel widmen. Wer sich das vor Augen führt, verliert das Mitleid mit einem Menschen, der sich ohne jede Entschuldigung vorerst aus der Öffentlichkeit zurückzog.

Zurück blieb ihr Mentor, der es paralysiert ein paar Tage vorzog, zu schweigen. Tage, in denen klar wurde, dass kein Zweifel mehr an den Recherchen von Jenny Pyka bestehen konnte und Tage, in denen andere, von der Kostümjüdin Düpierte, Charakter zeigten, sich zu ihrem Irrtum bekannten und entschuldigten. Vielleicht hätte Polenz die Zeit nutzen sollen, seine politische Artikulation zu überdenken. Natürlich hatte er nach dem Scheitern als Generalsekretär nur ein Amt bekommen, in dem er nicht wirklich etwas anrichten kann, aber immerhin repräsentiert er der Welt gegenüber den Deutschen Bundestag. Ist Facebook das richtige Medium, um sich darzustellen? Kann es richtig sein, sich dort nur noch unwidersprochen von Fans umgeben zu lassen, die nichts, aber auch gar nichts mehr mit der eigenen Partei zu tun haben? Wo beginnt die Dauerbeschäftigung mit Israel auch für einen Außenpolitiker zum auffälligen Ausleben eines unbewältigten Verhältnisses zum Judentum zu werden? Wie konnte es passieren, sich derart mit einer Hochstaplerin gemein gemacht zu haben? Soweit gehend, zu Anfang des Jahres zu einer Sicherheitskonferenz auf Kosten des Steuerzahlers nach Israel geflogen zu sein und diese für einen Besuch des Kindergartens verlassen zu haben, um sich inmitten von 12 Kindern fotografieren zu lassen, die einzigen Fotos, die es von Polenz während dieser Reise gab. Ist das die Aufgabe des ersten Außenpolitikers des Parlaments? Sollte nicht spätestens hier die Selbsterkenntnis beginnen, ein gestörtes Verhältnis zum Judentum zu haben, um das böse Wort Antisemitismus zu vermeiden? Um überhaupt in diese Lage gekommen zu sein, sich von Israelhassern aller Seiten auf Facebook umgeben zu lassen und dort permanent die Nahosthemen zu suchen, muss doch eine gewisse Affinität dazu bestehen, die spätestens bei dieser Zäsur selbst dem verranntesten Politiker hätte aufgefallen sein müssen. Die Welt bietet dem Außenpolitiker wahrhaft andere Themen genug, ebenso, wie die Welt den Vorsitzenden Polenz mit seinen Themen und seiner Außendarstellung als Vertreter Deutschlands wahrnimmt. Muss die gleich merken, dass wir alle einen Judenknacks haben?

Polenz entschied sich für die allerbilligste Variante. Nachdem die Jerusalem Post berichtet hatte, kam endlich ein Statement. Auf Facebook versteht sich. Es wäre ihm nur um den Kindergarten gegangen, Frl. Pyka hätte sich für ihren angeblichen Veruntreuungsvorwurf, den es nie gegeben hatte und der nur in der Fantasie ihrer verhetzten Feinde bestand, nicht bei der Wachendorff entschuldigt, ein hübsches Beispiel für Täter/Opfer Umkehr, er wäre ohnehin skeptisch, was die Erkenntnisse beträfe, übrigens nachdem die Kostümjüdin schon die ersten Geständnisse hinter sich hatte und überhaupt, er würde sich nie zu der Frage äußern, wer Jude wäre und wer nicht. Um dann, wie wohl gar niemand damit angefangen hatte, jeden Vorwurf des Antisemitismus weit von sich zu weisen, sich zum Opfer einer Antisemitismuskampagne zu deklarieren. Dabei hätte ein simples „sorry“ gereicht, um aus der Schusslinie zu kommen. Damit machte er es erst zu seinem Fall und erntet verdiente Häme, allerdings diesmal von Broder mit schlecht zu übersehender echter Wut. Darauf nun mit einer Ansammlung von Ehrenämtern zu antworten, ist arm und bestätigt nur die Komplexe. Aber auch das allgemeine Problem des politischen Personals, fernab vom Anlass, ist am Ende wieder da, die Uneinsichtigkeit, das nicht mehr Reflektieren des eigenen Fehlverhaltens, was die Politik hässlich kennzeichnet, die Leerformeln, das Wegschieben des Vergangenen und des Weitermachen, wie zuvor. „The same procedure“ eben und so kreiiert er erneut einen seiner Facebookthreads in dem alle Durchgeknallten sich wie immer ausbreiteten und die Juden natürlich der Mittelpunkt sind. Wie zum Beispiel Jennifer Seeckts, grüne Tierärztin ihres Zeichens: „Das Leid, das Juden durch die Nazis widerfahren ist, sollte sie gelehrt haben, wie es ist, (wenn die Palästinenser angeblich) gequält, gefoltert und vernichtet zu werden. Wir Deutsche sollten uns gerade wegen unserer Vergangenheit hüten, ein vergleichbares Unrecht zu billigen oder zu beschönigen“. Besser hätte Broder den Judenknacks nicht karikieren können. Alles beim Alten in der Polenzwelt. Solange er Politik macht, wird er sein Judenthema haben. Kein Desaster kann ihn davon abbringen. Eben eine deutsche Geschichte.

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Auch veröffentlicht bei cdu-politik.de

Über Waldemar Alexander Pabst

Undogmatischen Konservativer. Nazifeind, Antikommunist, entschiedener Gegner jedes religiösen Totalitarismus, Rassismus und nicht zuletzt der Verschwörungstheoretiker. Bekennender Israelfreund und das, was man einmal einen “Atlantiker” nannte. Vertritt uneingeschränkt das Gesellschaftssystem der freien Welt. Blog: https://schwarzoderweiss.wordpress.com/

Diskussionen

2 Gedanken zu “Der Vorsitzende und seine Jüdin – eine deutsche Geschichte

  1. Ein Fall für die Staatsanwaltschaft

    Verfasst von Adam D. Po. | 6. Juli 2012, 07:47

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